Führung und Neurowissenschaft? Wo besteht der Zusammenhang?
Veränderung tut weh, Bestrafung und Belohnung wirken langfristig nicht, der humanistische Führungsansatz wird überbewertet. Der Fokus verändert die Aufmerksamkeit und formt die Persönlichkeit. Die Erwartungshaltung beeinflusst die Weltbilder. Das sind zusammengefasst die Thesen der beiden Neurowissenschaftler Rock und Schwartz mit Blick auf die Führung.
In einem Artikel der „Strategy+Business“ mit dem Titel „The neuroscience of leadership“ stellen David Rock und Jeffrey Schwartz sechs Hypothesen vor:
1. „Change is pain“
Veränderungen bedeuten Schmerz in Form physiologischer Anstrengung durch Umbildung von Netzwerken im Gehirn.
Unser Gehirn ist, einfach gesprochen, ein Navi für die Welt. Und ein Update ist aufwendig, kostet Energie, Zeit und Geld. Das heißt, wir tun es erst dann, wenn es anders nicht mehr geht, d.h. wenn die Kosten durch „sich verfahren“ und die Umwege zu groß werden.
Manche wählen den Weg, bei dem sie zunächst den vermeintlich kleineren Preis zahlen: Sie fahren nur noch da, wo sie sich auskennen und sich nichts verändert hat.
Also: die alten Verfahren, Abläufe etc. schnell kappen.
2. „Behaviorism doesn’t work“
Der behavioristische Ansatz von Belohnen und Bestrafen hat langfristig keinen Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter.
Kurzfristig wirkt es zwar, aber wir gewöhnen uns sehr schnell an die Prämien. Sie werden zu festen Erwartungen. Konditionierte Reize funktionieren bei Reflexen, aber auch bei der Komplexität von Arbeit und Aufgaben. Und „einmal Druck, immer Druck“ lautet eine alte Führungsweisheit. Und man muss den Druck halten oder sogar erhöhen können. Langfristige Motivation hat mehr mit einer respektvollen Grundbeziehung und sauberem Feedback (positiv wie negativ) zu tun
3. „Humanism ist overrated“
Der humanistische Ansatz, durch Fragen und Einfühlungsvermögen die Mitarbeiter zu eigenständigen Problemlösungen zu motivieren, wird überbewertet.
Empathie holt die Mitarbeiter ab. So weit so gut, aber ohne „Leading“ verlassen wir unseren Schrebergarten nicht. Die Grenze zum Laissez-faire ist fließend. Große Aufgaben machen noch keine großen Mitarbeiter. Die Kunst besteht darin, den richtigen Zeitpunkt zu finden, zu dem eine klare Aussage, Ansage oder Position notwendig ist.
4. „Focus is power“
Aktive Aufmerksamkeit sorgt für chemische und physiologische Veränderungen im Gehirn.
Von Nichts kommt Nichts. Nur das, was wir wahrnehmen verändern die neurologischen Verbindungen in unserem Gehirn. Das, was Sie jetzt Lesen, verändert Ihr Gehirn, stellt neue Synapsen her oder bestätigt alte Bahnen. Die alte buddhistische Weisheit: „tu das, was Du tust mit voller Aufmerksamkeit“.
5. „Attention density shapes identity“
Das aktive Lenken der Aufmerksamkeit führt zu einer Entwicklung der Persönlichkeit.
Worauf konzentriere ich mich? Welche Mails schreibe oder beantworte ich, welche Gespräche führe ich? Was wird in den Meetings besprochen?
6. „Expectation shapes reality“
Die persönliche Erwartungshaltung verändert die Wahrnehmung der Realität.
Welche Informationen suchen wir? Was nehmen wir daher selektiv wahr? Die Vorurteile, das Priming bestimmen, was überhaupt die Wahrnehmungsschranke überwindet. Die Erwartung scheint die jeweiligen Bereiche unseres Gehirns zu aktivieren, voreinzustellen. Das Priming setzt unser Gehirn auf die Spur. Menschen mit positiver Ausstrahlung und Sprachgebrauch schaffen durch ihr Priming auch bei anderen Menschen positive Grundeinstellungen.
Die aktive Fokussierung auf innerpsychische und externe Prozesse spielen eine wesentliche Rolle bei Rock und Schwartz. Sie weisen darauf hin, dass das aktive Lenken der Aufmerksamkeit in einer hektischen und von Störungen geprägten Arbeitswelt entscheidend ist.
Heute schon die Welt verändert? Fangen Sie mit der eigenen Innenwelt an.
© Grannemanns Workbook – Führung und Neurowissenschaft