Viele Führungskräfte beklagen mangelndes Verantwortungsgefühl und verlangen mehr Accountability, Commitment oder Ownership. Dabei sind sie in den meisten Fällen selbst daran schuld. Die Führungskraft wird zum Motivationskiller, ohne es zu merken.
Der Mitarbeiter hat gerade eine neue Aufgabe, ein neues Projekt übernommen. Er freut sich darauf und auf einer Skala von 1 bis 10 Punkten hat er 10 Commitment-Punkte. Man kann Commitment oder Ownership auch mit Verantwortungsgrad übersetzen. Das heißt, der Mitarbeiter denkt an alles, nimmt hundertprozentig alles wahr, denkt vor und nicht nur mit, kümmert sich auch um die Kleinigkeiten und setzt sich ein.
Und dann hat der Mitarbeiter ein Meeting, ein Jourfix, eine Rücksprache oder einen kleinen Zwischenbericht mit seinem Chef. Danach kommt er gerade noch mit 5 Commitment-Punkten wieder aus dem Gespräch heraus. Was ist passiert?
Motivationskiller: Wenn der Chef zum Fachmann wird
Der Chef wollte vermutlich zeigen, wie gut auch er fachlich ist. „Das sollten wir aber so und so machen.“ Vielleicht war es nur als unverbindlicher Tipp gemeint. Aber gesagt hat er es nicht. Vielleicht hat der Mitarbeiter auch leicht protestiert, wollte ein „aber“ loswerden, doch wurde dies durch Haltung, Rolle, Stimme und Argumentation einfach schnell wieder unterbrochen. In diesem Moment kann der Mitarbeiter dem Gedanken sogar folgen oder versucht es zumindest. Auf jeden Fall ist es nicht mehr sein Werk. Es enthält jetzt eine fachliche Entscheidung, die vom Chef ist und nicht von ihm. Sein Werk ist verdorben und sein Commitment auch. Es ist nicht mehr seins.
Das Projekt rutscht sowohl in der Motivation als auch auf der Prioritätenliste runter, es werden Sachen liegen gelassen, der Mitarbeiter denkt nicht mehr hundertprozentig mit. Dabei wird von ihm hundert Prozent erwartet. Und wer hat Schuld, wenn es nicht so gut gelingt? Und der Chef schimpft insgeheim, warum der Mitarbeiter nicht genug Verantwortung übernimmt.
Das, was viele als Führungskraft aufbauen, reißen sie als selbst ernannte Fachkraft wieder ein. Noch schlimmer wenn die fachliche Kompetenz fehlt. Es ist nicht so schlimm, wenn Sie einen Chef haben, der keine Ahnung hat. Es ist nur schlimm, wenn er das nicht weiß.
Wer verantwortet entscheidet. Wer entscheidet, der verantwortet.
Die Aufgabe für die Führungskraft ist klar. Mitarbeiter müssen zu Teil-Führungskräften gemacht werden. Nicht zu Gleichen unter Gleichen. In diesem System trägt nicht ein Einzelner die Verantwortung. Wer verantwortet entscheidet. Wer entscheidet, der verantwortet. Macht hat der, der die Verantwortung bei Fehlern übernimmt. Wer Schuldige sucht, missbraucht Macht.
Das heißt aber für die Führungskräfte, dass sie dann Teil-Mitarbeiter sind. Wenn ich den „Ratgeber-Hut“ aufhabe, brauche ich Mitarbeiter, die den „Ratnehmer-Hut“ aufhaben und nicht den folgenden Mitarbeiter Hut. Und es ist klar, dass nachdem die Führungskräfte das gelernt haben, es das auch ist, was Mitarbeiter in der digitalen Transformation vor allem lernen müssen.
Die E-und V-Rechnung
Wenn auf der Hardfact-Seite eines Unternehmens die Basisformel der Gewinn (G) und Verlust (V -) ist, dann ist es auf der Projektebene die Entscheidung (E) und Verantwortung (V +).
G sollte immer vor V- liegen, aber V+ sollte immer vor E liegen.
Entscheidung und Verantwortung sind fest aneinandergebunden. Und es wird bitter, wenn sie auseinanderfallen. Wenn der Entscheider nicht die Verantwortung trägt, dann nennt man das Machtmissbrauch. Jede Diktatur oder Autokratie ist davon geprägt, egal ob in der Gesellschaft oder im Unternehmen.
Könnten Sie den Führungsjob besser machen als Ihr Chef – ohne dabei zum Motivationskiller zu werden? Was spricht dafür, Führungskraft zu werden?
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