Wer führt, trifft Entscheidungen. Zu den nicht so angenehmen Seiten des Führens zählen das Mitteilen von negativen Entscheidungen, die Ablehnungen von Bitten und Wünschen, Absagen usw.
Das Verschieben der Klärung macht alles noch schlimmer
Negative Entscheidungen mitteilen – Das ist eine unangenehme Aufgabe und leidet daher stark unter „Aufschieberitis“. Unser Unbewusstes hilft uns, Unangenehmes zu vermeiden. Das Bewusstsein findet Gründe zur Unterstützung (vielleicht kommt noch eine Situation, die günstiger ist; vielleicht erfährt diese Person es auf anderem Wege; aber am besten: sie kann es sich selbst schon denken.). Aufschieben macht es noch viel schlimmer.
Falsche Erwartungen zugelassen?
Wie so häufig, entscheidet sich alles schon viel früher: Im Vorfeld, im Ansatz. Wo wurden im Vorfeld Erwartungen geweckt, oder viel häufiger, einfach übersehen, zugelassen, nicht deutlich genug entgegen getreten? Das heißt, lieber einmal zu viel auf die realen Chancen einer Erwartung hinweisen, Wahrscheinlichkeiten aufzeigen, lieber tief stapeln, als durch das berühmte „Schaun´ wir mal“ eine Täuschung zulassen, die nur zur Ent-Täuschung führen kann. Vor allem die Motivation durch das „Hinhängen von Möhren“, das Versprechen, wie toll alles wird, ist die böse andere Seite der Medaille dieser verbotenen Frucht.
Welche Bedeutung hat die Entscheidung für die Mitarbeiterin / den Mitarbeiter?
Was uns als Kleinigkeit, als Petitesse, als „Peanuts“ erscheint, kann für andere von enormer Bedeutung sein. Einmal durch die Entscheidung selbst, in der eine Erlaubnis oder ein Verbot große Auswirkungen auf das Wohlbefinden (mit wem arbeite ich zusammen) oder die eigene Familie (wo und wann muss ich erscheinen) hat.
Die Entscheidung als Stellvertreter? Vertrauen
Und zweitens steht die Entscheidung als Stellvertreter für eine andere Frage: Wie hoch ist mein Stellenwert, werde ich wertgeschätzt, akzeptiert, gemocht, benachteiligt? Dann wird eine Entscheidung zum Lackmustest, oder sogar zur Alles-Oder-Nichts-Frage. Eine Frage kann zumindest erst einmal Klarheit schaffen: Welche Bedeutung hat dieser Punkt für Sie auf einer Skala von x bis n?
Damit haben wir die Chance eröffnet, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen.
Vertrauen und Offenheit als wichtige Faktoren
Diese Stellvertreterfunktion bekommt eine Entscheidung vor allem dann, wenn Vertrauen fehlt, wenn es am Gefühl der Sicherheit der Position bei Ihnen oder im Team fehlt. Die Schwierigkeiten beim Mitteilen von Entscheidungen können also auf die Notwendigkeit hinweisen, an Offenheit und Vertrauen zu arbeiten.
Das Gespräch selbst: Haltung, Rahmen, Argumente
Solche Gespräche gehen wir in Gedanken immer wieder durch, bauen Szenarien und drehen unsere Filme: Wie könnte das ablaufen? Wie wird der andere reagieren und was tue ich dann? Das ist Teil der Vorbereitung. Erste Frage: Mit welcher Haltung gehe ich in das Gespräch? Denn die Haltung entscheidet über den Rahmen, über die ersten 45 Sekunden dieser Gespräche. Leider gibt es hier nicht die eine goldene Regel. Aber ein paar Hinweise zur Vorbereitung solcher Gespräche.
Was schwächt die Haltung?
Tendenz zur Schwäche, Tendenz zur Härte. Gesammelte Ärgerpunkte (Rabattmarken), aufgestauter Ärger, „Jetzt- Reichts- Gefühle“. Aber auch eigene Schuldgefühle, schlechtes Gewissen. Ärger über uns selbst. Haben wir unsere eigenen Erwartungen nicht erfüllt? Verzeihen Sie sich selbst und verzeihen Sie dem anderen, bevor Sie in solche Gespräche gehen.
Was stärkt die Haltung?
Aus welcher Rolle genau agiere ich? Was genau ist mein Führungsauftrag? Wofür bin ich verantwortlich? Und was muss ich daher auch entscheiden können? Förderliches Mantra in solchen Situationen ist: „Ich würde meinen Job nicht tun, wenn ich heute nicht … tun würde“. Bin ich perfekt? Nein! Ich bin nicht fehlerfrei, ich kann aber alles tun, um Fehler nicht zu wiederholen.
Gesprächs-Rahmen setzen
„Die ersten 45 Sekunden gehören uns“ sagte mein Kollege Werner Stettler. Und sie setzen die Gesprächspartner auf die Spur. Nicht nur die Anderen, vor allem auch uns selbst. Was genau will ich hier erreichen? Was genau ist das Ziel, der Zweck, der angestrebt wird? Nur wenn ich den Rahmen kenne, kann ich auch erkennen, ob jemand diesen Rahmen verlassen hat und kann gegensteuern oder stoppen. Gibt es Formeln, die sich eignen? „Wir müssen Ihnen leider mitteilen…“ hören wir nicht so gerne. Gerne hören wir, dass eine Entscheidung sehr schwierig oder sehr knapp war. Und sehr gerne hören wir, gerade bei negativen Entscheidungen, wie gut wir sind, welche Stärken und Fähigkeiten wir haben und wo wir unschlagbar sind. Wenn das stimmt und wir das als Übermittler einer negativen Nachricht auch kongruent rüber bringen können, sollten wir das auch tun.
Und ich muss mir die Mühe machen, alle diese Stärken und guten Seiten zu sammeln.
Ich habe auch schon Absagen erlebt, bei denen ich mich besser gefühlt habe als vorher.
Die Argumente, die Begründung
Vermutlich haben Sie schon selbst erlebt, dass ein solches Gespräch völlig in Ordnung war. Rahmen war in Ordnung, der Ton stimmte, Sie waren versöhnt und guter Dinge (so ist es halt) und erst die Argumente, die genannt wurden, um die längst akzeptierte Entscheidung zu begründen, brachten Sie auf und wurden erst dadurch zum Ärgernis. Das Tor war geschossen und der andere holt völlig unnötig den Ball wieder aus dem Tor.
Kriterien nicht aus dem Hut zaubern
Der häufigste Fehler: Es wird ein Kriterium wie zufällig aus dem Hut gezaubert, von dem vorher nie gesprochen oder darauf hingewiesen wurde. („Der andere kam besser an, weil er mit dem Beamer präsentiert hat“, „Bei einem der Damen oder Herren müssen Sie einen schlechten Eindruck hinterlassen haben, ich kann Ihnen natürlich nicht sagen, um wen es sich handelt“, „Es fehlt Ihnen etwas an Durchsetzungsfähigkeit in den Projekten“, „Der Herr M. weist mehr auf das große Ganze hin und verliert sich nicht so in den fachlichen Details“). Es mag schon schwierig sein, den Erfüllungsgrad von bestimmten Kriterien im Urteil anderer zu akzeptieren, aber zu sagen: „Sie haben das richtige Kriterium nicht richtig erraten“ macht ohnmächtig.
Blick in die Zukunft
Das heißt, dass es keinen Weg daran vorbei gibt die Entscheidungsprozesse für Beförderungen, für mehr Geld, für neue Projekte gut vorzubereiten. Nur können wir sagen: dieses Kriterium wurde (noch) nicht erfüllt. Nur dann können wir auch den wichtigen Schritt in die Zukunft gehen. Sie möchten mehr Geld, diese Stelle, dieses Projekt? Dann lass uns schauen, was wir genau bis wann tun können, um das zu erreichen.
Die innere Berechtigung als Quelle der Anspruchshaltung
Angenehm werden die Gespräche wohl nie. Und sie werden sehr, sehr schwierig, wenn die Beziehung des anderen zu Ihnen oder dem Unternehmen nicht stimmt. Wenn alte Rabattmarken das Klima vergiften und Vertrauen überhaupt erst einmal wieder hergestellt werden muss. Denn das volle „Rabattmarkenheft“ erzeugt in der Psyche eine hohe innere Berechtigung befördert zu werden oder mehr Geld zu bekommen. Das ist dann nicht anhand der konkreten Entscheidung lösbar. Hier brauchen wir einen Rahmen, der nach diesen Enttäuschungen fragt, der die Möglichkeit des Verzeihens und des Neuanfangs möglich macht.
© Grannemanns Workbook