Es gibt Arbeitsstellen auf denen alle, die sich daran versucht haben, mehr oder weniger scheitern. Und es gibt Stellen, die eine Garantie für Erfolg und Befriedigung darzustellen scheinen. Es gibt also neben unseren Fähigkeiten und den Karten, die uns der Zufall zuteilt, eine dritte Variable für unseren Erfolg im Job: Der Rahmen unserer Stelle. Es kann sich lohnen mit diesem Blick auf die eigene Stelle zu schauen. Habe ich ein Sprungbrett oder ein Himmelfahrtskommando?
Habe ich ein Himmelfahrtskommando oder stehe ich auf einem Sprungbrett?
Eine wesentliche Form, die Stelle zu beschreiben, ist das AVE-Paket. Es steht am Anfang und als Fundament. Es beschreibt die Aufgabe, die dazugehörige Verantwortung und die dazu notwendigen Entscheidungsbefugnisse.
1. Hat mein Job überhaupt ein definiertes Kriterium, an dem meine Leistung gemessen werden kann?
Gibt es Kriterien von Gut-Leistung oder von Schlecht-Leistung? Hier geht es nicht um die auch notwendigen Feinheiten von Zielkriterien, Erfolgsindikatoren und Kennzahlen, die bei den jährlichen MAG´s wichtig sind, sondern ich weiß, was im Grunde von mir erwartet wird; es gibt so etwas wie eine Jobidentität, die in den Grundzügen von mir und den anderen geteilt wird. Schwache Signale und Hinweise für diese Art von Störung liegen vor, wenn
- Zuviel von Koordination, Assistenz, Projektmitarbeit im weiteren Sinne die Rede ist
- Man selbst Schwierigkeiten hat, Dritten den eigenen Job zu erklären. Die Form, das Kästchen des alten Jobs, noch vorhanden ist, aber nicht mehr der ursprüngliche Inhalt; langsame Aushöhlung und Ersatz durch schwer Definierbares
- „Mach mal irgendwie“ und keiner hat mehr genau nachgefragt. Hier macht zwar die Führungskraft ihren Job nicht, aber Leidtragende sind häufig die unerfahrenen Mitarbeiter
- So manche Stabsstelle ohne klaren Auftrag u.v.m.
Das klare „A“ ist vor allem Schutz für mich. Wenn es keine klaren Punkte für Entwicklung gibt, gibt es auch keine für Schlecht-Leistung. Ich kann ohne oder mit jeder Begründung gekündigt oder versetzt werden. Es ist eine eigentümliche Ruhe im Jobnebel.
2. Hat mein Job eine konzentrierte oder fokussierte (Kern-)Aufgabe? – Ein fokussiertes „A“
Eine Folge von langsamer Aushöhlung meines Jobs kann die Verzettelung sein. Ich kann mich nicht konzentrieren auf eine Kernsache. Ein Restebereich, ein bisschen hiervon, ein bisschen davon. Eine zerrissene Jobidentität kann zwischenzeitlich interessant sein wie ein Pool vieler Entwicklungs- und Startmöglichkeiten, aber über längere Zeit? Die einzelnen Teiljobs und Aufgaben sollten einen inneren Zusammenhang, eine Kohärenz aufweisen.
3. Ist mein Job überhaupt möglich?
Oder ist es ein Himmelfahrtskommando? Gab es schon ein oder zwei Vorgänger, die (natürlich wegen mangelnder Befähigung) an der Aufgabe gescheitert sind?
Der Job enthält eine unsichtbare und nicht erfüllte Prämisse: Die geplante Technologie wird funktionieren (Scheitern ist ein Tabu und wird daher nicht thematisiert), das Marktpotential liegt vor. Die Abteilung X unterstützt das Projekt voll. Was hier notwendig ist, ist eine Prämissenkontrolle.
Eine zweite Gruppe von Unmöglichkeit kann in den geforderten Fähigkeiten liegen. Diese können unter Umständen nur von Genies erfüllt werden. Beispiele sind, wenn zwei recht unterschiedliche Fähigkeiten gebraucht werden: Werksleitung und Projektleitung zur Einführung von Gruppenarbeit gleichzeitig, Vertrieb und Marketing gleichzeitig, um nur zwei Beispiele von gescheiterten Job/Mensch-Kombinationen aus unserer Coachingpraxis zu erwähnen. Notwendig für den Erfolg im Job ist eine Fähigkeitenkontrolle.
4. Ist mein Job zu groß? Überforderung?
Ist meine Aufgabe zu groß, merken wir das vermutlich sehr schnell und auch unsere Mitarbeiter werden auf Dauer eine Überforderung nicht verheimlichen können oder wollen. Längere Zeiten der Überforderung können Stress-Schäden hervorrufen. Unbemerkt legen wir die Stromabnahme an unsere Reservebatterien. Die müssen dann erst einmal wieder aufgefüllt werden. Überforderungsphänomene sind häufig gar nicht exogener, sondern endogener Natur (zu hohe Anforderungen an uns selbst! Antreibergefahr – auch deshalb bleicht der Erfolg im Job aus)
5. Ist mein Job zu klein (geworden)? Unterforderung?
Der größere Fehler ist der zu kleine Job. Das merkt nämlich keiner so schnell.
Auch wenn in meinen Augen als Vorgesetzter oder auch als Jobinhaber alles in Ordnung ist, kann es im Sinne des Unternehmens (das Unternehmen verliert Geld) oder im Sinne des Marktes (mein Job ist im Grunde schon nicht mehr konkurrenzfähig) schon längst eine Job-Minder-Erfüllung sein. Und es kann schon längst eine langsam sich entwickelnde Unterforderung sein, die meine Entwicklungs- und Lernpotentiale nicht nutzt, und unter Umständen unwiederbringliche Einbußen mit sich bringt. Notwendig ist hier „Entwicklungskontrolle“. Weckt mein Job mein Entwicklungspotenzial? Wecke ich das Potenzial meiner Mitarbeiter?
6. Habe ich einen gemeinen Job?
Wenn das „A“ o.k. ist, kann es sein, dass das „V“ nicht in Ordnung ist. Grundregel ist, dass A,V und E kongruent (im geometrischen Sinne gleich groß) sein müssen. Treten Differenzen auf, handelt es sich um eine fundamentale Störung. Nämlich z.B. dann, wenn die Verantwortung größer ist als das „A“ oder „E“. Sie werden für etwas verantwortlich gemacht, für das Sie nicht verantwortlich sind oder sich nicht verantwortlich fühlen. Das kann das Ergebnis einer „Schuldschieberei“ sein. Es musste ein Schuldiger gefunden werden. Oder ich selbst fühle mich überverantwortlich. Oder im leichten Falle liegt ein Missverständnis vor. Das Ergebnis ist immer gleich: Keine Chance in einem schlechten Spiel. Erfolg im Job – eher nicht.
Die Entscheidungskompetenzen, der Einfluss des Vorgesetzten, auch Macht genannt, kann auch dazu genutzt werden um Informationen bzgl. der Verantwortung zu verändern. Ein Missbrauch von Macht liegt vor. Das Phänomen ist, dass der Vorgesetzte sich im entscheidenden Moment zurückzieht und (am besten im Plenum) den Mitarbeiter im Regen stehen lässt. Ich selbst habe aus diesem Grund spontan gekündigt.
7. Viel Arbeit, aber keine Verantwortung? – der Nicht-Job
Ebenfalls auf lange Sicht gefährlich ist der Mangel an Verantwortung gepaart mit hohem Einfluss. So manche Stabsstelle oder andere schlecht definierten Jobs stehen in dieser Gefahr. Dieses Ungleichgewicht von Verantwortung und Entscheidungskompetenz wird an anderer Stelle ein Ungleichgewicht in umgekehrter Richtung nach sich ziehen.
8. Mangel an Entscheidungskompetenz – der machtlose Job
Habe ich den nötigen Einfluss, die notwendigen Entscheidungskompetenzen, um meinen Job machen zu können? Fehler in der Initialtransaktion des Job-Startes, der nicht korrigiert wird. Hier sind Übergänge zum unmöglichen Job sichtbar.
Schleichend werden Ressourcen entzogen (Menschen, Budgets, Termine werden vorgesetzt). Nicht alle Fälle sind so sichtbar wie die Besetzung einer Koordinationsstelle zwischen mächtigem Vertrieb und der Produktion mit einem Hochschulabgänger mit 2-jähriger Berufserfahrung.
Ein weiteres Symptom ist die Abhängigkeit von Zuarbeit durch andere Abteilungen, die sich weigern, diese Leistung zu erbringen. Dann zählt die Motivation ohne Macht, der Aufbau von Beziehungen und Verpflichtungen. Dieses Netzwerk kann ich aufbauen, wenn ich etwas zu geben habe. Das funktioniert nicht, wenn ich außer Charme nichts zu geben habe.
Eine der häufigsten Führungslücken ist der Schnitt von Arbeitsstelle und Aufgabe.
Wie gern stürzen wir uns gleich in die Dinge, die wir gerne tun, wie das Erstellen von Strategien, das Entwickeln von Produkten und Märkten, das Anstoßen von Projekten.
Wenn es dann nicht klappt, muss an der Motivation gelegen haben oder am mangelnden Wir-Gefühl oder der Mitarbeiter ist einfach nicht geeignet.
Es scheint Stellen zu geben, die so gut definiert sind, dass Führung so gut wie nicht notwendig ist. „Die Aufgabe kontrolliert den Mitarbeiter“. Wie wäre es mit der Magie der Unsichtbaren Hand im Unternehmen? Es gibt dann wenig zu tun für die FK. Die Mitarbeiter haben Erfolg im Job. Es läuft wie von selbst.
Ihr Fazit ist ernüchternd? Jobwechsel – Ja oder nein?
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