Einen regelrechten Hype hat der Begriff Resilienz in den letzten Jahren erlebt. Resilienz leitet sich ab von dem lateinischen Begriff resilire und bedeutet so viel wie abprallen. Es wird in der Regel als psychische Widerstandsfähigkeit beschrieben. Inzwischen gibt es viele Resilienz-Seminare, -Trainings und -Programme.
„Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“
Resilienz meint also: Wie gut stecken wir Schicksalsschläge, außergewöhnliche Herausforderungen, Belastungen, Störungen, Traumata und ähnliches weg? Erleben wir einen Zusammenbruch, stürzt unser persönliches System zusammen, bleiben wir handlungsfähig und stabil oder wachsen wir sogar daran (Posttraumatisches Wachstum statt posttraumatischer Belastungsstörung)?
Was ist kritisch an dem Begriff Resilienz?
Zwei Punkte sind meines Erachtens mit Vorsicht zu genießen.
Das eine ist, dass der Begriff Resilienz so allgemein, generisch und breit aufgestellt ist, dass man darunter so ziemlich alles packen kann, was unter dem Thema Selbstwertgefühl, Ausgeglichenheit, Gesundheit, Achtsamkeit etc. zu finden ist. Und so finden wir in Grobstrukturen wie die sieben Säulen der Resilienz wiederum Begriffe, die nicht viel konkreter sind. Das bedeutet, ein Resilienz-Training kann alles Mögliche beinhalten. So finden sich Inhalte, die früher bei der Burn-Out-Prophylaxe oder bei gesund arbeiten und führen zu finden waren, jetzt unter diesem Klammerbegriff wieder.
Der zweite Kritikpunkt zielt auf den Selbstoptimierungswahn, den Druck und die Erwartung, ständig an sich zu arbeiten: „Wie, Du bist nicht erfolgreich? Dann ändere mal Deine Glaubenssätze!“, „Wie, das steckst Du nicht so weg? Dann mach Dich mal resilient!“.
Ist Resilienz wirklich erlernbar?
Gibt es so etwas wie ein Immun-Training für die Seele? Ja klar, kann man hier etwas tun, auch wenn die Wirkung nicht von heute auf morgen sichtbar sein wird. Auch die Analogie zur physischen Widerstandsfähigkeit kann man hernehmen. Kann ich mich „impfen“? Ja, Soldaten, Piloten, alle Berufe, die mit Gefahrensituationen zu tun haben, werden durch Simulationstrainings auf mögliche Situationen, die kommen, „geimpft“. „Ich bin darauf vorbereitet.“ Wir machen das auch, wenn wir schwierige Situationen oder Gespräche vor uns haben. Wir spielen diese vorher durch und fragen und, was alles passieren kann. Dadurch sind wir ganz anders vorbereitet und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, die Situation gut zu meistern.
Etwas schwieriger wird es bei der allgemeinen Stärkung des Immunsystems (Auch interessant: Immun gegen schlechte Laune am Arbeitsplatz). Auch wenn die Studien zur Resilienz schwierig auszuwerten sind – eines kann man allerdings sagen: Alle Einseitigkeiten machen anfällig.
Quellen des Selbstvertrauens
Das beginnt damit, wenn ich mein gesamtes Selbstvertrauen nur auf den Beruf aufbaue und dafür meine sozialen Beziehungen, die Pflege von Fitness, Gesundheit und Körper und alle seelischen Faktoren, wie Spiritualität, vernachlässige. Wenn ich nur eine Quelle habe, fehlen mir bei einem Schicksalsschlag natürlich die anderen Bereiche, um mich auffangen zu können. Menschen scheinen umso resilienter zu sein, je vielfältiger die Bereiche und Quellen des Selbstvertrauens aufgestellt sind. Alle Einseitigkeiten scheinen Gift zu sein.
Erste Basis: Beziehungen
Ich glaube, man kann nicht genug unterschiedliche Netzwerke haben. Nicht nur digitale, sondern auch analoge Blasen sind schädlich. Mal wieder die Eltern anrufen? Oder jemand anders aus der Verwandtschaft (auch wenn sie nerven und man mit ihnen keine Freundschaften schließen würde)? Oder die Gruppen, mit denen man Hobby oder Sport teilt? Je unterschiedlicher das gemeinsame Band der Gruppen ist, desto besser. Eine der wertvollsten Resilienz-Quellen ist für mich eine Gruppe, die sich seit 20 Jahren regelmäßig trifft und deren gemeinsames Band lediglich die gemeinsame Teilnahme an einem Seminar ist.
Zweite Basis: Erfolg, Leistung, Fähigkeiten
Schaut man sich Studien an, die versuchen, abzubilden, welche Tätigkeiten zu einer höheren Resilienz führen, dann schneiden Achtsamkeit-Trainings und Resilienz-Trainings selbst eher schlecht ab. Die besten Daten weisen Kurse auf, in denen es um Gestalten, Malen, Töpfern, Musizieren, Gärtnern, Bildhauen, Arbeiten mit Papier, Holz, Metall, Singen und am besten gemeinsames Musizieren geht. Also her mit den alten Hobbies, die vielleicht liegengeblieben sind oder von denen man sich einredet, dass man vor lauter Arbeit keine Zeit mehr für sie hätte.
Dritte Basis: Körper, Gesundheit, Fitness
Klar, schon die alten Römer sagten: „Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper.“ Habe ich mir Routinen und Gewohnheiten angeeignet, die meinem Körper Bewegung verschaffen, die mich fit halten? Nehme ich mir die Zeit, möglichst viel natürliche Nahrung und immer weniger industrielle Nahrung zu mir zu nehmen? In der Achtung auf das Aussehen und die Pflege gibt es wieder die beiden Extreme, die eher schädlich sind: Verwahrlosung auf der einen Seite und auf der anderen Seite das übermäßige Betonen von Äußerlichkeiten und Aussehen.
Vierte Basis: Unsere Seele
Die vierte Resilienz-Quelle ist unsere Seele. Diese Basis ist am schwierigsten zu fassen, aber es geht dabei immer um etwas, das größer ist als wir. Das sind Fragen zur Spiritualität: „Auf welche Weise bin ich ein Teil des Ganzen?“. Wobei die Religiosität nur ein (nicht zwingender) Teil dieser Basis ist. Altruismus (das Einsetzen für ideelle Ziele und Werte) scheint eine sehr wichtige Quelle zu sein. Der Einsatz für die Natur, das Sorgen für andere Menschen durch Ehrenämter, auch politische Arbeit an der Gestaltung einer besseren Gesellschaft. Anderen Menschen zu helfen, obwohl sie nicht zu meinem Netzwerk gehören. Und offen und dankbar zu sein für das, was mir in Leben und Natur geschenkt ist.
Also: Am besten rufst Du Kinder, Eltern oder andere Gruppen (Beziehungen) an. Verabredet euch zu einer Wanderung (Fordern des Körpers), sucht einen unbekannten Weg (geistige Herausforderung) und redet darüber, wie ihr die Welt retten könnt (Seele). Viel Spaß!
©Grannemanns Workbook
1 Kommentar
Lieber Ulrich,
Danke für den Phönix Deines Newsletters. Die Veränderungen die Du durchwanderst scheinen durchwegs positiv zu verlaufen.
Und Danke für Deine fortwährende Hilfe.
LG R. Hackstock