Manipulation oder Überzeugung?
Lassen sich Chefs manipulieren? Das mit der Manipulation ist eine schwierige Sache. Diktatoren manipulieren die Massen. Mahatma Gandhi und Martin Luther King auch. War aber das, was Hitler gemacht hat, Manipulation und das, was Gandhi gemacht hat Überzeugung? Wo liegen da die Unterschiede und Grenzen? Wer kann das entscheiden? Eine Leseprobe aus Führen von unten: Cheffing – die Kunst, als Mitarbeiter den Chef zu lenken (Beck kompakt)
Beispiel
Zum Thema Cheflenken fiel einem Vertriebsleiter folgendes ein: Auf einem Verkäuferseminar habe ich das sogenannte „Spiegeln“, das Nachahmen der Körperhaltung des Gegenübers kennengelernt. Es soll die Beziehung und damit den Erfolg verbessern. Das habe ich sofort auch bei meinem Chef ausprobiert. Nach einiger Zeit unterbrach er das Gespräch und fragte, ob alles in Ordnung sei. „Ja, wieso?“ entgegnete ich. „Sie sind nicht so bei der Sache wie sonst“.
Er hat zwar nicht gemerkt, was ich gemacht habe. Er hat aber gemerkt, dass etwas nicht stimmt, dass ich nicht voll bei ihm, sondern bei meiner „Manipulation“ war. Mein Bewusstsein hat etwas übernommen, was mein Unbewusstes viel besser kann. Für Körpersprache ist unser Unbewusstes zuständig.
Eine ethisch gute Idee zu haben reicht nicht, sie muss auch gut verkauft werden. Eine schlechte Idee, die gut verkauft wird, funktioniert auch, allerdings nur kurzfristig. Wenn Leute, die gute Ideen haben, diese nicht verkaufen können, werden sich die durchsetzen, die ihre schlechten Ideen gut verpacken und verkaufen können.
Manipulation in der Beziehung zum Chef geht nach hinten los, denn die Beziehung zum Chef ist auf Langfristigkeit angelegt. Der Betrüger, der mich hintergangen hat, ist weg, der Mitarbeiter, der mich manipuliert hat, ist immer noch da, aber er verliert das Vertrauen des Chefs. Wir kennen im Deutschen den feinen Unterschied zwischen überreden und überzeugen. Überreden bedient sich nicht selten eines Manipulationsmittels, das beim Überzeugen nicht notwendig ist. Die Verknappung der Zeit macht den Unterschied. Der Betrüger drängt zu einer Entscheidung, um schnell an den Punkt zu kommen, an dem der Betrogene nicht mehr zurückkann. Sei es die Unterschrift, die Zahlung, das Einverständnis, der Vertrag. Überzeugung ist dagegen auf langfristiges Commitment angelegt. Zeitdruck sollte uns immer skeptisch machen.
Können Sie es schaffen, Ihren Chef glauben zu lassen, dass es seine Idee gewesen ist?
Was hier vielleicht als der „Schwarze Gürtel“ des Cheffing daherkommt, als die Spitzenfähigkeit, mit unsichtbaren Fäden den Chef zu manipulieren, stellt sich am Ende als Mythos heraus.
Hinter dem Wunsch, andere glauben zu machen, es wäre ihre Idee, steht die Überzeugung, dass Menschen eigene Ideen anders vorantreiben als die Ideen anderer. Aber ist das möglich?
Natürlich gibt es Chefs, die sich der Ideen ihrer Mitarbeiter bemächtigen, sprich diese einfach ungefragt stehlen. Es gibt vielleicht auch Chefs, die Ideen unbewusst aufschnappen, diese im Laufe der Tage vergessen und ihnen dann diese Idee wieder in den Sinn kommt und sie diese für ihre eigene halten. Aber von einem gezielten Verkaufen oder gar „Unterjubeln“ einer Idee, ohne dass der Chef etwas davon merkt, kann man da nicht sprechen. Das heißt aber nicht, dass Sie nichts tun können. Natürlich können Sie Ihren Chef lenken, aber das geht nicht mit einem „genialen“ Trick, mit einem Dreh, Clou oder Zaubertrick.
Es gibt nicht den schnellen, bauernschlauen Manipulationstrick.
Von Projekten und Ideen überzeugen – Der Chef als Komplize
Wie können Sie Ihren Chef zum „Komplizen“ Ihrer Ziele machen? (auch interessant: Habe ich überhaupt den richtigen Chef? Welcher Arbeitgeber passt zu mir?)
Gleich mehrere der vorherigen Cheffing-Tipps haben eines gemeinsam: Die Lösung liegt nicht darin, den Chef mit der fertigen Lösung zu „überfallen“, denn die „Adoption“ einer Idee durch Ihren Chef scheint umso leichter zu funktionieren, je „jünger“ sie ist.
Ein typischer Verkäuferfehler ist die Verabreichung der „Nutzendusche“. Ihnen wird dann erklärt, was Sie alles für Vorteile durch den Kauf dieses Produkts haben und wie großartig das alles ist. Aber das bringt gar nichts, wenn gar kein Problem besteht. Und es steckt zudem ein abwertender Subtext dahinter: Der andere weiß besser, was gut für Sie ist.
Rennen Sie keine Türen ein, die nicht geöffnet sind. Versuchen Sie lieber den Cheffing-Dreisprung:
- Was ist unser Problem?
- Hat es Bedeutung?
- Lösung gewünscht?
Beispiel eines HR-Chefs eines Unternehmens
Ich hatte schon eine Idee, wie ich meinen CEO darum bitten wollte, dafür zu sorgen, dass die Führungskräfte stärker in die Umsetzung bestimmter Seminare und Trainings sowie deren Inhalte eingebunden werden sollen. Ich wusste genau, wenn ich ihm meine Lösungsansätze vorschlage, wird er sofort in die Abwehr gehen und Gründe finden, warum dies nicht möglich sei. Daher habe ich stattdessen im Vorfeld des Termins gemailt, welches Problem mir im Kopf herum geht und dass ich dabei bin, nach Lösungen zu suchen, wie Führungskräfte stärker auf ihre Mitarbeiter schauen können. Das war weder ein Vorschlag noch ein Appell, sondern eine Aufklärung darüber, dass ich mir Gedanken mache. Etwa eine Woche später fand das Meeting statt. Es war noch keine halbe Stunde vergangen, da traute ich meinen Ohren nicht, als der CEO fragte, ob es denn irgendwelche Möglichkeiten gäbe, Seminarleiter stärker in die Umsetzung der Inhalte mit einzubinden.
Die Seminarleiter hätten doch teilweise einen besseren Blick auf die Führungskräfte als deren Chefs. Ich war von den Socken, denn eine bessere Vorlage für mein zentrales Anliegen hätte ich nicht haben können. Ich muss auch gestehen, dass es eine noch viel bessere Idee war als die, die ich im Hinterkopf hatte.
Chefs helfen gern, sie werden gern um Rat gefragt und sie liefern unter Umständen sogar die besseren Ideen. Mit Sicherheit ein zentraler Punkt im Cheffing: Pull statt Push.
Cheffing beginnt nicht mit der Lösung oder Idee. Es beginnt beim gemeinsamen Nachdenken über ein Problem. Bringen Sie Ihren Chef zum Mitdenken. Forcieren Sie Ihr Thema.