Schon einmal überlegt, selbst eine Führungskraft zu werden? Oder bist Du unzufrieden mit Deinem Chef und Du möchtest wissen, woran das liegt? Oder Du bist Führungskraft und bist Dir unsicher, ob Du das Richtige tust? Das sind alles Fragen, für die das Konzept, Führung in Rollen zu betrachten, sehr nützlich sein kann. Ich habe persönlich sehr lange daran gearbeitet, eine Aufteilung zu finden, mit der ich wirklich zufrieden bin. Ein Konzept, das alle Rollen und damit Tätigkeiten einer Führungskraft erfasst und die trotzdem so konkret sind, dass man damit etwas anfangen kann. (Artikel: Sollte ich einen Führungsjob übernehmen?)
Wieviel Sachbearbeiter steckt in der Führungskraft?
Eine sehr erhellende Perspektive auf die Führungsrollen ist die Reihenfolge der Rollen in ihrem Mitarbeiter- bzw. Führungsaspekt. Es beginnt damit, dass Führungskräfte häufig ihre eigenen besten Mitarbeiter und Sachbearbeiter bleiben. Ein Verkaufsleiter mit seinen eigenen Kunden. Eine Controlling-Chefin, die selbst Excel-Tabellen bearbeitet. Ein Entwicklungschef, der selbst konstruiert.
Coach/Lehrer
Auch für die nächste Rolle, nämlich Coach und Lehrer sein, muss man nicht disziplinarischer Vorgesetzter sein. Aus dieser Rolle heraus berate ich andere. Ich bringe Neuen etwas bei, gebe Informationen, die nützlich sind, instruiere und helfe in schwierigen Situationen. Diese Rolle ist nicht zu verwechseln mit dem Mitarbeiterverantwortlichen, der dafür sorgt, herauszubekommen, was sein Mitarbeiter an Fähigkeiten braucht und Maßnahmen in Gang setzt, wie die Mitarbeiter an diese Fähigkeiten herankommen können. Diese personalentwickelnde Rolle bildet den Rahmen, der Coach und Lehrer hilft fachlich und inhaltlich.
Projektmanager
Eine noch stark mitarbeiterorientierte Rolle ist die des Projektleiters. Das ist die fachliche Führung im engen Sinne. Ich bin verantwortlich für einen bestimmten Kunden, ein Angebot, ein Leistungspaket. Und das mache ich in der Regel nicht allein, sondern mit anderen zusammen. Das ist natürlich die erste richtige Führungsaufgabe. Da ich fachlich verantwortlich bin, muss ich kontrollieren, korrigieren, Nach- und Neulieferungen anfordern. Diese Rolle ist allerdings nicht an Personalverantwortung gebunden. Sie kann durch einfache Übertragung von Weisungsbefugnis auf jeden fallen. Diese Rolle des Aufgaben- oder Projektverantwortlichen ist nicht zu verwechseln mit der des Aufgabenmanagers. Das ist derjenige, der die Weisungsbefugnis für die Aufgaben und Projekte verteilt und die Prioritäten sowie den Ressourceneinsatz für diese Aufgaben und Projekte steuert.
Person/Mensch & Disziplinarischer Vorgesetzter
Eine Rolle, die etwas aus der Reihe fällt, ist die der Person oder des Menschen. Das bin ich schließlich immer. Wie gehe ich mit meinen Mitmenschen in der Mittagspause, beim Gang über den Flur, auf Dienstreisen, bei Betriebsfeiern um? Wie respektvoll, höflich und freundlich gehe ich mit den Menschen um? Es ist aber auch die Arbeit an meiner Ehrlichkeit und Offenheit, die an meiner Person hängt und damit natürlich alles, was mit Selbstmanagement zu tun hat. Wie offen, ehrlich und integer bin ich? Das spielt immer und überall eine wichtige Rolle, aber natürlich in ganz besonderem Maße, wenn ich Personalverantwortung übernehme. Und mit dieser Übernahme der Personalverantwortung komme ich in die nächste Führungsrolle, die des disziplinarischen Vorgesetzten. Hier übernehme ich alle arbeitsrechtlichen Verantwortungen den Mitarbeitern gegenüber. Alles, was den Rahmen des Arbeitsvertrages angeht. Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Entgelte, geldwerte Vorteile, Privilegien und, und, und.
Aufgabenmanager
In Abgrenzung zum Aufgaben- und Projektverantwortlichen ist der Aufgabenmanager für die Verteilung aller Aufgaben zuständig. Wer wird wofür verantwortlich, wieviel Zeit und welche Ressourcen fließen wohin? Eines der Hauptwerkzeuge sind die Aufgabengespräche, die die Führungskraft entweder unter vier Augen in Einzelgesprächen mit den Mitarbeitern führt oder in dem, was man Jour Fixe nennt, wo alle Aufgaben zusammengetragen, neu verteilt und geordnet werden.
Manager/Organisator
Die nächste Rolle ist die des Geschäftsführers oder des Managers. Wer ist dafür verantwortlich, nach Außen zu zeigen, wie erfolgreich man ist (Zahlen, Daten, Fakten, Controlling, Reporting), aber auch dafür zu sorgen, die Prozesse stetig zu verbessern und danach zu schauen, ob die Organisation und die Prozessgestaltung stimmen?
Unternehmer/Entrepreneur
Rolle acht ist eine Rolle, die ebenfalls stark nach außen gerichtet ist, nämlich die des Unternehmers als Entrepreneur, als derjenige, der neue Technologien, Produkte und Märkte bahnt. Dieser „Leader“ sucht zum Beispiel neue Kooperationspartner, bahnt den Kontakt an, während ich aus der Rolle des Geschäftsführers die entsprechenden Verträge entwerfe und unterschreibe.
Teamer & Mitarbeiterverantwortlicher
Die Rollen neun und zehn sind die mit dem stärksten Führungscharakters: Der Teamer, der für die Qualität der Zusammenarbeit, die Stimmung, das Betriebsklima, die Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen, der für Teamentwicklung verantwortlich ist. Und zu guter Letzt die Rolle, die ich als Führungskraft habe, die den Mitarbeitern gegenüber verantwortlich ist. Weiß ich, was mein Mitarbeiter braucht? Weiß ich, wie es ihr geht? Wie ist der Stand der Motivation und Zufriedenheit? In welche Richtung kann oder sollte sich jemand entwickeln? Wohin möchte ich jemanden fördern? Welche von den Wünschen oder Erwartungen die jemand an mich als Chef oder Chefin oder an das Unternehmen hat, sind erfüllbar, welche nicht? Wie manage ich die Erwartungen und wie bleibe ich in dieser Rolle klar, offen und redlich? Wo kann und muss ich als Führungskraft etwas tun, um den Mitarbeiter zu fördern und wo muss ich Erwartungen reduzieren, Realitätsbezug herstellen, weil sie nicht erfüllbar sind. Alle Führungskräfte sagen natürlich, dass es wichtig ist, die Mitarbeiter zu motivieren und Demotivation zu vermeiden. Dazu ist es natürlich wichtig, zu wissen, wie der Stand der Motivation ist. Und trotzdem, fragt man Mitarbeiter im Unternehmen, wird diese Rolle viel zu wenig wahrgenommen. Das ist der Grund, warum die Rolle des Mitarbeiterverantwortlichen in meiner Sicht, die Rolle ist, die am stärksten Führungscharakter aufweist. Sie ist die Königsdisziplin der Führung.
Welchen Hut habe ich gerade auf?
Es gibt natürlich eine Menge zu gewinnen, wenn es mir gelingt, als Führungskraft alle diese Rollen zu belegen und an ihnen zu arbeiten. Aber eine vielleicht ebenso wichtige Aufgabe ist es, diese Rollen klar voneinander zu trennen und genau das passiert sehr häufig eben nicht. Meines Erachtens befinden sich die meisten Rollenverletzungen an der Grenze zwischen dem Aufgabenmanager und dem Aufgabenverantwortlichen. Darin liegt auch die Schwierigkeit und Unzufriedenheit mit Jour Fixen. Die sind im Grunde dem Überblick und der Verteilung von Aufgaben gewidmet. Es passiert aber sehr schnell, dass der Chef als Aufgabenmanager sich selbst als Projektleiter oder Aufgabenverantwortlicher einsetzt („Diesen Kunden, dieses Produkt, dieses Angebot übernehme ich selbst.“). Das Reden über diese Aufgabe gehört allerding nicht ins Jour Fixe, sondern in ein separates Projektmeeting. So gehört das Feedback oder die Korrektur zu einer Aufgabenleistung eben nicht coram publico in ein Jour-Fixe.
All diese Rollen, die eine gute Führungskraft vereinen sollte, machen die Führungsaufgabe zu einem anspruchsvollen Job. Erfahre, warum Ulrich Grannemann für mehr Frauen in Führungspositionen plädiert.
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