Wenn ich lernen möchte und mich herausfordern möchte, sollte ich vielleicht sogar einen Arbeitgeber wählen, der nicht unbedingt zu mir passt. Möchte ich aber langfristig glücklich sein mit meiner Arbeit, gibt es einige Hinweise, worauf ich achten sollte, bevor ich mich bei einem Unternehmen bewerbe.
Der Grundgedanke ist ganz einfach: Jedes Unternehmen hat eine Kultur bzw. Werte, die das Unternehmen prägen und kennzeichnen. Werden diese Werte durch mein Verhalten bestätigt, bekomme ich Belohnung und ein positives Feedback des Unternehmens. Handle ich nach Werten, die das Unternehmen nicht teilt, verpufft mein Einsatz und ich bekomme keine positive Resonanz auf meine Arbeit.
Wenn ich glücklich werden will, muss ich wissen, welche Werte ich habe und möglichst schnell erkennen, welche Werte das Unternehmen hat und Arbeitgeber suchen, die möglichst hohe Schnittmengen mit meinen Werten erkennen lassen. Je geringer diese Schnittmenge ist, desto weniger positives Feedback bekomme ich und desto weniger Selbstwertgefühl erhalte ich dadurch. Dieses Arbeitsverhältnis ist endlich.
Kriterium 1: Stabilität, Qualität, Sicherheit vs. Wandel, Innovation, Chaos
Weder das eine noch das andere ist gut oder schlecht, Wir alle sind mit einer bestimmten Prägung auf dieser Welt. Den einen ist Sicherheit wichtig, den anderen Wandel. Sich selbst darin zu verorten ist nicht so schwer. Erwischst Du Dich häufiger dabei, dass Du sagst „Ja, aber das könnte man auch anders machen.“ oder beobachtest Du Dich eher dabei, dass Du in Deiner Familie, der Clique, dem Team sagst „Seid ihr sicher? Da könnten Fehler passieren.“ Mahnst Du häufiger oder drückst Du mehr in Richtung Innovation? Ich selbst bin beispielsweise sehr wandelorientiert und wenn ich vor ein Problem gestellt werde, erfinde ich lieber eine Sache neu, während andere, was sehr häufig der bessere Weg ist, lieber danach schauen, was wir bisher in einer solchen Situation gemacht haben.
Wie tickt das Unternehmen?
Nicht so leicht zu erkennen ist, wie ein Unternehmen in seiner Kultur wirklich aufgestellt ist. Das liegt einfach daran, weil zurzeit viel Wandel und Innovation attraktiver und mehr fancy ist als Stabilität und Qualität. Ganz viele Unternehmen rufen nach Innovatoren, nach dem Neuen und nach dem Wandel. Und sobald die Innovatoren dann im Unternehmen sind, stören sie die Machtkreise der Alteingesessenen und man kommt mit den Innovatoren nicht klar. Dann merkt man sehr schnell, dass man sich die Hörner abschlägt, dass man in Meetings gelockt wird mit einer Idee, die dann genüsslich zerstört wird. Spätestens dann merkt man, dass zwar Wandel draufsteht, aber Sicherheit drin ist.
Andersherum, wenn meine Stärke in der Sicherheit, Verlässlichkeit, Qualität liegt, dann wird man ziemlich schnell daran verzweifeln, wenn Unternehmen ohne Not ständig ihre Prozesse ändern, ihre Re-Orgas durchführen, neue Produkte entwickeln, ohne das erste richtig entfalten zu lassen.
Informationen sammeln
Es ist natürlich genial, wenn ich jemanden kenne, der jemanden kennt, der in diesem Unternehmen schon ist und den ich interviewen kann. Ansonsten gibt es einfach Branchen und Produkte, die von Natur aus nicht wandelorientiert sind. Wichtige Hinweise kann mir auch die Plattform Kununu geben, auf der Mitarbeiter eines Unternehmens anonym Einschätzungen hinsichtlich der Innovation und klassischer Orientierung geben. Und fall nicht auf das tolle, fancy Innovations-Ding herein – wenn das nicht zu Dir passt, wirst Du dort nicht glücklich.
Kriterium 2: Nähe vs. Distanz
Jedes Unternehmen hat auch eine Grundkultur, wie eng die Beziehungen sind, wie diese definiert sind. Nimmt man sich Zeit füreinander, ist man menschlich? Und hier ist es ähnlich, wie bei der Frage Wandel oder Stabilität, allerdings ist es hier die Nähe, die reizvoll erscheint.
Nähe kann respektlos werden
Dass man respektvoll und menschlich miteinander umgeht, das wollen alle, aber gerade bei der Nähe ist es häufig der Fall, dass es eben nicht mehr respektvoll zugeht. Weil die Beziehungen eng sind, weil sie unverbindlich sind, weil sie teilweise aufdringlich sind. Ein typisches soziales System, das auf Nähe ausgerichtet ist, ist die Familie – und zwar mit allen Schwierigkeiten, die sich aus dieser Nähe ergeben. Schon das Wort Distanz kommt ein wenig negativ daher, damit ist aber im Grunde erst einmal Höflichkeit und Anständigkeit gemeint. Man fällt nicht mit der Tür ins Haus, man klopft an, man respektiert den Raum des anderen, man setzt sich nicht sofort auf den Schreibtisch des anderen, man wartet ab, wann das Du angemessen ist.
Der Mensch braucht Beziehungen
Wir alle mögen Menschen, wir alle haben Beziehungen zu ihnen, wir alle suchen sie. Und trotzdem werde ich natürlich nicht glücklich, wenn ich die Nähe suche und für einen Konzern arbeite, in dem es lange, unpersönliche Gänge gibt, in dem man alleine schon Räume suchen muss, in denen man ein enges, persönliches Gespräch führen kann. Oder andersherum stellt sich die Frage, ob es mich glücklich macht, wenn ich in einem Unternehmen bin, wo der Klatsch, Tratsch, der „Hast-Du-schon-gehört“ in den Teeküchen so verbreitet ist, dass ich ihm nicht aus dem Weg gehen kann.
So war ich beispielsweise immer in Unternehmen glücklich, die mehr distanziert waren, respektvoll mit den Beziehungen, aber stark innovativ ausgerichtet waren. Andere fühlen sich sehr wohl in Nähe und wandelorientierten Firmen. Das sind dann oftmals kleine, familiäre Start-ups, die aber nicht selten auf den Chef, die Chefin ausgerichtet sind. Wer auf Stabilität und Distanz/Respekt steht, ist in großen Konzernen gut aufgehoben. Stabilität und Nähe finde ich sehr häufig in mittelständischen Unternehmen mit entsprechenden Produkten, die eine hohe Zuverlässigkeit bieten und ausstrahlen, bei denen eine lange Zugehörigkeit wichtig ist und man zur Familie dazugehört.
Frag andere
Eine weitere, gute Quelle, um herauszufinden, ob eine Unternehmen zu Dir passt, ist, einfach andere Menschen, die Dich gut kennen, zu fragen „Kannst Du Dir vorstellen, dass ich da oder dort arbeite? Passt dieser Arbeitgeber zu mir? Und glaubst Du, dass ich dort glücklich sein könnte?“ Wenn fünf von fünf Leuten sagen „Eher nicht.“, dann glaube ihnen besser.
Also? Welcher Arbeitgeber passt zu Dir? Hast Du den richtigen Job? Oder solltest Du Dich vielleicht umorientieren?
©Grannemanns Workbook