Misst Du Deine Zufriedenheit mit Kelvin oder mit Celsius? Vielleicht solltest Du Deine Skala wechseln.
Ein Gehirn, das alles nur rosarot sieht, konnte in der Savanne der Steinzeit einfach nicht überleben. Ohne Neurotransmitter, die uns Angst/Sorgen oder Frust/Wut anzeigen, würde es den Homo Sapiens wohl gar nicht geben. Und ein andauernder Glückszustand würde jede Entwicklung zum Erliegen bringen. Daher sind wir nicht für die absolute Zufriedenheit gemacht, sondern nur dafür, danach zu streben!
Die große Lebensgemeinheit: Die Erwartungs-Null-Linie wird immer wieder neu angepasst!
Kaum haben wir es geschafft, durch Fleiß und Intelligenz unser Leben wieder etwas besser zu machen, dauert es nicht lange und unsere Erwartungs-Null-Linie wird wieder nach oben angepasst – unsere neuen Errungenschaften oder Lebensumstände werden zum Standard. Je schneller ich diese Anpassung vornehme, umso unglücklicher bin ich. Bei jedem neuen Ausschlag verschiebt sich die Erwartungslinie weiter nach oben. Alles was dann folgt, bis zum nächsten Peak, ist Unglück, da es unter der Erwartung liegt. Also wird fast das gesamte Leben schnell zum Leiden, zum Grund für andauernde Unzufriedenheit.
Keiner vermag das Unglück zu erfassen, das Menschen widerfährt, die feststellen müssen, dass die Yacht des Nachbarn einen halben Meter länger ist als die eigene!
Wir sind nicht zum Glücklich-Sein gemacht worden.
Aber können wir unser Erbe austricksen? Laut Celsius ist alles unter 0 Grad negativ. Für Kelvin gibt es nur positive Grade. 0 Grad Kelvin ist der absolute Nullpunkt. Tiefer geht physikalisch gar nicht. Ein Kelvianer würde sagen: Jede Stunde Arbeit ist wertvoll, erfüllt mich, ist ein weiterer Baustein, den ich meinem Leben hinzufüge, auch die langweiligste oder unangenehmste Aufgabe. Ein Celsianer ist wie ein Inuit auf Grönland: Fast alles ist unter 0 Grad. Arbeit ist Mühsal, Sorge und Leid und muss erledigt werden, damit ich ledig und frei bin. Ledig von was und frei wofür?
Die gute Nachricht: Skalen sind Konstruktionen. Konstruktionen lassen sich umkonstruieren.
Bewertungen sind relativ. Sie sind die willkürlichen Festlegungen unseres Gehirns. Sie haben mit der Realität nichts zu tun. Sie sind veränderbar und frei wählbar. Aber das Gift der hohen Erwartung an das Leben und an sich selbst sitzt tief. Sich kognitiv zu sagen und hier zu lesen, dass jede Stunde wertvoll ist (wirklich jede, auch das Aufräumen der Wohnung) ist einfach. Aber es zur inneren automatischen, intuitiven Gewissheit werden zu lassen, ist hingegen schwer. Ich kenne keinen Königsweg, mit dem man den Ball ins Tor tragen kann. Mit solchen Sätzen wie „Der Weg ist das Ziel“ konnte ich nie viel anfangen. Aber die Weisheit der Sufis „Am Anfang Staub und am Ende Staub und dazwischen das, was ich jetzt habe… warum sollte ich da nicht glücklich sein“ hat viel ausgelöst.
„Am Anfang Staub, am Ende Staub… warum sollte ich da nicht glücklich sein“
Ein weiterer Schritt für mich war kein Spruch oder Weisheit, sondern eine neue Gewohnheit. Nämlich die Gewohnheit, Aufgaben nicht zu erledigen und dann verschwinden zu lassen, sondern sich am Ende eines Tages immer die Done-Liste anzusehen und dabei zuzuschauen, wie der Berg der Aufgaben, die man ge- und erschaffen hat, immer größer wird. Wenn Du Dir jede Aufgabe wie einen Lego-Stein vorstellst, dann hast Du wohl schon ganze Städte aufgebaut. So gesehen geht nichts verloren. Nicht das Staubwischen vor 10 Jahren oder das Lernen für die Geometriearbeit aus der Schulzeit. Diese Vorstellung ist nicht Realität, die Vorstellung, dass Arbeit Mühsal sein muss, aber auch.
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