Der Meister einer unbekannten Kampfschule wird von seinem Gegner beleidigt, mit Schimpfwörtern überzogen, ja sogar angespuckt. Der Meister reagiert nicht mit einem Zucken. Er lässt alles über sich ergehen. Er tut einfach nichts. Der Gegner gibt irgendwann auf und verschwindet. Die Schüler des Meisters laufen danach zu ihm und fragen ihn, wie er das alles ertragen konnte und warum er sich nicht gewehrt habe. Der Meister fragt seine Schüler:
„Wenn ein Geschenk nicht angenommen wird. Wem gehört es dann?“
Niemand kann Dich ohne Deine Erlaubnis verletzen
„Niemand kann Dich ohne Deine Erlaubnis verletzen“ sagt Eleonore Roosevelt.
Das sagt sich so einfach. Der Meister verzichtet auf den öffentlichen Sieg und vielleicht war ja sogar ein Fünkchen Wahres in den Beleidigungen. Grenzenloses Selbstbewusstsein macht natürlich immun gegen Verletzung, macht aber auch immun gegen Kritik als Ursprung der persönlichen Entwicklung und des Lernens.
Tipps einer Verkäuferin: Gesagtes nicht persönlich nehmen
Ich habe eine Verkäuferin gefragt, die in ihrem Geschäft (Telekommunikation) ständig mit genervten, aufgebrachten, teilweise sehr unhöflichen Menschen zu tun hat, wie sie mit diesen Kunden umgeht.
Verkäuferin: „Menschen laufen ständig mit ihren Launen durch die Gegend. Und die schlechte Laune entlädt sich selten da, wo sie entstanden ist. Damit es mir nicht den Tag ruiniert, darf ich Gesagtes nicht persönlich nehmen. Mein Blick ist in diesen Situationen nicht auf mich, sondern nur auf den Kunden gerichtet. Die Frage, mit welcher Laune der Kunde gerade in den Laden kommt (Z.B. auf einer 10-er Skala von positiv bis negativ), hilft mir dabei, die Situation einzuschätzen. … Aha, da ist jemand sehr angestrengt, betroffen oder verärgert; 8 Punkte!
Deshalb funktioniert es natürlich nicht, wenn ich ins Büro, den Laden oder sonst irgendwo hingehe und die Wahrnehmungsbrille „Ich möchte gemocht werden“ oder „Ich möchte respektiert werden“ trage – das macht mich verletzlich.“
Meine Gegenfrage: „Aber wirst Du mit der oben beschriebenen Methode nicht automatisch unnahbar, verschlossen oder sogar kalt? Und ist der Rest vielleicht sogar selbsterfüllende Prophezeiung?“
Verkäuferin: „Im Gegenteil. Ich bin entspannter. Nicht so sehr bemüht. Und jeder hat erst einmal das beste Lächeln verdient.“
Meine Gegenfrage: „Wenn Du aber nur auf den anderen und nicht auf Dich schaust, verzichtest Du nicht auf den Teil Feedback, den Du von den Kunden bekommst?“
Verkäuferin: „Gute Frage! Eigentlich ist es das beste Feedback, wenn es den Leuten nach dem Gespräch mit Dir etwas besser geht als vorher. Das ist schon Belohnung genug. Für das weitergehende Feedback frage ich meine Freundinnen und Freunde.“
©Grannemanns Workbook