Grundsätzlich sind Sorgen ein sehr wichtiger Zustand. Der Neurotransmitter Cortisol bringt unser Gehirn dazu, nach den Dingen zu suchen, die schiefgehen könnten und was wir tun müssen, um vor Schaden bewahrt zu bleiben. Es gibt aber auch extreme Formen von Angst, die in Panik enden und deren Folge im Grunde nur Stillstand und Aphasie ist. Dieser Totstell-Reflex war in Zeiten, als wir noch von wilden Tieren bedroht wurden, sehr nützlich – aber auch nur dann.
1. Schritt: Raus aus der Panikattacke
Bevor Du Dich weiter reingrübelst – raus aus der Panikattacke! Das kann durchaus im wörtlichen Sinne gemeint sein: Nach Draußen gehen, andere Input-Quellen für Dein Gehirn suchen. Was ist Deine Lieblings-Musik, Dein Lieblingsfilm, Dein Lieblingsbuch, Dein Lieblingsfotoalbum? Und das Allerwichtigste: Wo sind Deine Lieblingsmenschen?
Hol Dir Hilfe
Das ist der schnellste Weg, um an das Kuschelhormon (Oxytocin) zu kommen, welches ein Zuviel an Noradrenalin aus Deinen Synapsen verdrängen kann. Hole Dir Hilfe. Spiel nicht den Helden oder die Heldin. Vertraue Dich an: „Schatz, es geht mir beschissen.“ Vielleicht eine der wichtigsten Fähigkeiten: In der Lage zu sein, sich Hilfe zu holen.
Damit ist das Angstfeuer noch nicht gelöscht, aber Du bist schon mal raus aus dem brennenden Haus.
2. Schritt: Mach es sachlicher
Angst hat zwei Kriterien: Sie ist innen und diffus. Deshalb ist es sehr hilfreich, von innen nach außen zu gehen und vom Diffusen zum Konkreten. Nimm Dir also ein großes Blatt Papier und einen Stift. Visualisiere Deine Angst, den Auslöser für Deine Angst. Was vom Auslöser ist Fakt und was ist interpretiert? Schreibe konkret auf, was passieren kann. Was passiert, wenn es gut läuft und was passiert, wenn es ganz schlecht läuft (Gau-Fantasie, der größte anzunehmende Unfall)? Das ist nichts anderes als die Anwendung der sogenannten Szenario-Technik. Womit müssen wir rechnen, was kommt auf uns zu? Was ist wahrscheinlich, was ist eher unwahrscheinlich? Während das Unbewusste nur 0 und 1 (alles ganz schlimm oder alles ist in Ordnung) kennt, hat die kognitive Intelligenz die Möglichkeit, zu differenzieren. Eine sehr schöne Möglichkeit zu relativieren, auch Krisen zu relativieren sind 10er-Skalen oder 100er-Skalen. Wie viele Punkte im Vergleich zu vergangenen Krisen hat die aktuelle? Das ist wie die berühmte Frage beim Arzt: „Wie schlimm sind die Schmerzen auf einer 10er-Skala?“
Welche Lebensbereiche sind in Ordnung?
Ein Phänomen der Krise ist, dass sie von der Wahrnehmung her alles einzunehmen scheint. Eine Möglichkeit, dagegen zu wirken, ist, sich alle Bereiche seines Lebens zu skizzieren, Dein Freundes-, Bekannten- und Verwandtenkreis. Finanzen, Versicherung, Wohnen, Mobilität. Welche beruflichen Projekte, Aufgaben, Kollegen gibt es? Welche Hobbys und wie steht es um Deine Gesundheit? Vielleicht wird dadurch deutlich, dass so schlimm die Krise und die momentane Angst ist, gibt es trotzdem ganz viele Bereiche, die nach wie vor in Ordnung sind.
3. Schritt: Selbstwertgefühl steigern
Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist die jetzige Krise nicht Deine erste. Oder? Wie oft warst Du schon unglücklich verliebt? Wer hat Dich schon alles verlassen? Wie viele Sorgen hast Du allein schon in der Schule ausgestanden, wegen nicht vorbereiteter Klassenarbeiten, Hausaufgaben und der Angst, Dich falsch entschieden zu haben? Und mach Dir klar, dass viele von den Sorgen und Ängsten, die Du damals hattest, gar nicht eingetroffen sind, sich nicht bestätigt haben, die Du überwunden hast. Du hast diese Krise bewältigt, überstanden, Du bist damit klargekommen. Du hast Abschied genommen, von Dingen, die nicht gut waren und Dich neu aufgestellt. Die Welt hat sich verändert und Du warst in der Lage, Dich ihr wieder neu anzupassen und Dich in ihr wieder neu zu definieren. Mach Dir klar, wie gut Du im Bewältigen von Krisen bist.
Belohne Dich für Deine Erfolge
Die Gedächtnisforschung hat ergeben, dass positive Erinnerungen zwar verblassen, aber eindeutig positiv verankert bleiben, wobei negative Erinnerungen jedoch sehr stark in Vergessenheit geraten und fast aus unserem Gedächtnis verschwinden. Hol dir diese Erfolgserlebnisse zurück und belohne Dich dafür (Der Neurotransmitter, der dabei ausgeschüttet wird, ist Serotonin.).
4. Schritt: Von der Angst in die Aktivität
Du bist im ersten Schritt aus der Angst herausgetreten, im zweiten Schritt hast Du Deine Angst sachlich gemacht, im dritten Dein Selbstwertgefühl erhöht. Jetzt bist Du vielleicht dabei, Deine Angst und Deine Krise endgültig zu bewältigen. Während Du in Schritt zwei gefragt hast, was kann alles auf Dich zukommen, was kann passieren, so schaust Du in diesem Schritt darauf, was kannst, solltest und musst Du tun, wenn das die vermutete Zukunft ist, um optimal darauf vorbereitet zu sein? Und wer oder was kann Dir dabei helfen?
Trenne Dich von Altlasten
Angst ist mit dem Wort Enge verbunden. Das griechische Wort, das dem Begriff Krise zugrunde liegt, bedeutet trennen, sich scheiden. Und das ist häufig das, was in diesem Schritt passiert: Sich verabschieden von alten Gewohnheiten, von Annahmen, von Vermutungen und vielleicht sogar von Zielen. Dann kann eine Krise mit dem norddeutschen Ausdruck enden:
Nicht lang‘ schnacken, Kopp in‘ Nacken.
©Grannemanns Workbook