„Stellen Sie sich doch mal kurz vor!“ Wir stellen uns in unserem Leben bestimmt mehrere 100-mal vor. In Bewerbungsgesprächen spielt die Selbstvorstellung mitunter eine entscheidende Rolle. Was sollte man tun und was besser lassen?
Ich habe durch viele Seminare und Vorstellungsgespräche als Unternehmer und Bereichsleiter tausende von Vorstellungen gehört. Hier das Wichtigste auf einen Blick:
Tonlage und Modulation (bloß nicht leiern, gelangweilt und langweilig wirken)
Du kannst das beste Leben gelebt haben, die richtigen Inhalte gewählt haben, aber Du machst alles kaputt, wenn Du es langweilig vorträgst. Monotonie in den Betonungen, sich wiederholendes Grundmuster. „Leiern“. Und dann noch einen chronologischen Aufbau der Vorstellung: Und dann bin ich… und danach habe ich. Schlechter geht’s nicht.
Chronologischer Aufbau (Lass alles weg, was Dich nicht geprägt hat)
Was ist problematisch am chronologischen Aufbau? Dieser Aufbau liegt nahe und wird häufig genutzt. Aber damit versuchen viele den schriftlichen Lebenslauf in gesprochener Form zu bringen. Das heißt, es wird versucht, alle Phasen des Lebens lückenlos loszuwerden. Das ist aber nicht das Ziel der Vorstellung. Ziel der Selbstvorstellung ist, das Besondere an Dir deutlich zu machen. Lass alle Phasen, die Dich nicht oder wenig geprägt haben, einfach weg.
Und dann bin ich da weg… („Hinzu‘s“ statt „Wegvon‘s“)
Versuche zu vermeiden, dass Dein Leben so aussieht wie eine andauernde Flucht. „Und dann bin ich da weg, weil … (Reorganisation, Übernahme, neuer Chef, war langweilig u.ä.)“. Besser: „Dann begegnete ich, rief jemand an, gab mir jemand die Chance, fiel mein Blick auf das Wort „xy“ in der Anzeige von „z“.“ Was waren Dein Hinzu’s? Diese Geschichten zeigen, wer Du bist, und nicht, wer Du nicht sein wolltest.
Dafür habe ich das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen
Man sollte sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Auch übertriebene Bescheidenheit kann unsympathisch wirken. Du musst alle Highlights bringen, auch das Bundesverdienstkreuz. Es ist eher die Art, wie man diese Punkte vorbringt, die uns angeberisch rüberkommen lassen. Es sind augenzwinkernde Geschichten, die auch die größten, Neid verursachenden Heldentaten sympathisch machen (So beispielsweise in deutscher Nobelpreisträger: „Ich wollte gerade Großstadtrevier gucken und dachte, wer ruft denn jetzt noch an und seit wann kommen die Callcenter-Anrufe aus Schweden? Ich hätte fast aufgelegt…“)
Wie kannst Du Dir Deine Selbstvorstellung zusammenstellen?
Mit einer Liste und frag die Menschen Deiner Umgebung! „Ich habe ein Bewerbungsgespräch. Was meinst Du? Was sollte ich auf jeden Fall von mir erzählen, was zeichnet mich aus? Welche Geschichten und Ereignisse gehören da unbedingt rein? Hat Dich was an meiner Lebensgeschichte besonders beeindruckt?“
Gehe Deinen Lebenslauf durch. Was davon muss rein in Deine Vorstellung? Aber vor allem: Was steht nicht in Deinem Lebenslauf? Was ist wichtig, was in Deiner Vita eben nicht sichtbar wird? Was passierte in den Zwischenphasen und in den Übergängen?
Du bist Dir auch nach Gesprächen mit anderen nicht sicher, ob Du einen Punkt mit in Deine Selbstvorstellung aufnehmen sollst? Erzähl uns davon in den Kommentaren unter diesem Artikel und wir helfen Dir!
Vermeide Allgemeinplätze, wecke Bilder
Bevor Du Sätze sagst wie: „Ich mache gerne Sport. Ich lese viel und mache gerne Reise. Ich wollte was mit Menschen machen. Ich habe eine Lehre als Bürokaufmann gemacht. Ich arbeite gerne in Teams“ – lasse sie lieber weg. Stattdessen achte darauf, dass alles, was Du sagst, Bilder erzeugt: „Ich jogge auf dem Laufband mit Google-Street-Video dazu. Ich fahre einen roten Kanadier am liebsten auf dem Oberlauf der Wupper. Ich habe in meiner Dreherlehre versucht …“ Je positiver, je farbiger die Bilder oder Szenen, desto besser.
Gemeinsamkeiten machen sympathisch. Schaffe viele Ansatzpunkte.
Je ähnlicher sich Menschen fühlen, umso näher fühlen sie sich. Du solltest auch Teile in die Vorstellung einbauen, die sich wie Spiegelstriche lesen. Damit schaffst Du in kürzester Zeit bei den anderen viele Ansatzpunkte, um auch später mit Dir ins Gespräch zu kommen („Ich war auch eine Zeit lang in Barcelona, wo in London genau hast Du gewohnt?“). Gute „Listen“ sind Deine Hobbies, Orte, an denen Du schon studiert oder gearbeitet hast, Schwerpunkte in Ausbildung oder Studium, Deine Stationen (3 Jahre 3M, 5 Jahre Henkel, 10 Jahre selbstständig und aktuell bei xy. Menschen lieben zudem den Überblick. Nicht, dass die anderen sich fragen, wie viele Berufs-Stationen kommen denn wohl jetzt noch?).
Es sind Geschichten, die im Gedächtnis bleiben
Das, woran sich die Leute erinnern werden, sind die Geschichten, die das Besondere an Dir zeigen. Gerade, wenn Du Dich gegen viel Konkurrenz durchsetzen musst, ist es wichtig, welches Hauptmerkmal mit dir verbunden wird. „Wer war nochmal Svenja Meier?“- Dann ist es natürlich besser, wenn jemand sagt: „Das war der, der beim Kanadierfahren auf der Wupper seine spätere Chefin kennengelernt hat“ als: „Dem war die Pendelei nach Hamburg zu viel“. Sag nicht, dass Dein Leben zu langweilig war für solche Geschichten. Diese Ausrede lasse ich nicht gelten. Auch da kann vielleicht der Rat helfen: Frage Deine Lieben!
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Die Krönung: Über sich selbst lachen können, die Selbstironie
Ganz selten ist, wenn es einem gelingt, augenzwinkernd über sich selbst lachen zu können, ohne dass dabei man selbst oder Dritte Schaden nehmen. Das ist auch für mich die feinste und höchste Form von Humor, wenn Witze nicht auf Kosten Dritter gehen oder sie sonst irgendwie peinlich sind. Häufig sind es Punkte, die eine Spannung auflösen („… wo ich dann selbst dachte: Da kommt schon wieder der mit dem Adelstitel…) oder die mit einer Schwäche spielen, die schon deshalb sympathisch ist, weil wir sie vielleicht alle haben.
Wie kannst Du an Deiner Selbstvorstellung arbeiten?
Auch ich werde diesen Artikel zum Anlass nehmen, um an meiner Selbstvorstellung zu arbeiten. Dazu werde ich mich noch einmal fragen, was mir wirklich wichtig ist. Welche 2-3 Besonderheiten möchte ich von mir zeigen (Ich brenne für das Thema Arbeit und Führung, ich liebe das Einfache, die Anleitung, die alles lösen kann, das Höchste ist, wenn mir jemand sagt, dass ich ihr helfen konnte…). Welche Geschichten fallen mir ein? Ich werde meine Frau fragen, was sie auf jeden Fall über mich erzählen würde. Wie kann ich inhaltslose Punkte (Ich habe eine Ausbildung als… gemacht) in assoziations- und bilderreiche Punkte verwandeln (… stand ich im Labor im weißen Kittel und schaute in bunte Reagenzgläser). Wo kann ich viele Anknüpfungspunkte in eine Liste bringen? Und ich werde eine Audiodatei mit allen Punkten und Geschichten, die mir über mich einfallen, aufnehmen und schicke sie an Pia, die Managerin von Grannemanns Workbook, die auch diesen Artikel redigiert hat, und sie fragen, was davon wegkann, was sehr gut ist, und was sich lohnt auszubauen…
Jetzt bist Du dran! Wie sieht Deine Selbstvorstellung aus? Was soll die Welt (oder ein Unternehmen) über Dich wissen? Wie willst Du wahrgenommen werden? Viel Spaß bei der Ausarbeitung!
©Grannemanns Workbook