Kundenorientiertes Arbeiten. Führung heißt, Mitarbeiter erfolgreich machen. Was aber ist Erfolg? Wer oder was definiert ihn? Ich selbst? Die Mitarbeiter? Meine Chefs? Ach ja – da war doch noch was? Genau: der Kunde! Erfolg ist das, was der Kunde bezahlt. Aber wie optimiere ich diesen Erfolg? Ist Erfolg eine Idee zur richtigen Zeit? Das richtige Patent? Die Zusammenballung von Kompetenz? Die Marketingmacht? Alles davon ist richtig, aber kein Faktor davon erklärt alles. Ein Faktor gilt allerdings immer: Erfolg entsteht durch die Interaktion mit dem Kunden. Der Schlüssel: Kundenorientiertes Arbeiten.
Erfolg ist ein Interaktionsprodukt
Erfolg ist ein Ergebnis der Interaktion zwischen Gestalter und Nutzer eines Produktes. Der Gestalter kann der Spezialist sein oder ein Chef, der über die Gestaltung des Produktes entscheidet.
Interaktion als Algorithmus: Was gefällt dem Kunden?
Bei Amazon und Alibaba übernimmt sogar ein Algorithmus diese Aufgabe. Und verbessert ständig und immer die Qualität dieser Interaktion – ganz automatisch. Kein Mensch muss da noch irgendetwas tun. Die Auswahl der Produkte, die der Kunde angeboten bekommt wird bei jedem Kauf besser, genauer.
Drei Prinzipien sind dafür notwendig:
- Agilität: die schnelle Reaktion auf Veränderungen. Das Angebot an den Kunden verändert sich sofort sobald eine neue Information über den Kunden verfügbar ist (kein langer Entscheidungsprozess durch alle Hierarchieebenen).
- Evolution: Das Lernen durch Versuch und Irrtum. Ein Zufallsgenerator produziert neue Angebote, damit erkennbar wird, ob und wie der Kunde darauf reagiert. „Durch Produktmutationen“ wird der Prozess der Evolution in Gang gesetzt.
- Ambidextrie: die Beidhändigkeit. Ausbau des Bewährten und Bestehenden ist die eine Hand, Experimentieren mit dem Neuen ist die andere Hand. Die Kunst liegt im ausgewogenen Verhältnis. Stand- und Spielbein.
Und wie sieht die Interaktionsbeziehung zum Kunden bei „Normalunternehmen“ aus?
Das Problem beim Faktor Mensch ist: Der Algorithmus beim Mitarbeiter sieht anders aus. Der Chef ist den Mitarbeitern näher als der Kunde! So richten sich die Mitarbeiter in Ihren Gestaltungsentscheidungen nach Ihrem Chef aus und nicht nach Ihrem Kunden. Am Ende richten sich alle nach der internen Hierarchie nach oben aus und es entscheidet derjenige oben an der Spitze, der nicht selten am wenigsten Kontakt zu Kunden hat.
Der Weg weg von der Kundenorientierung hin zur Innenorientierung
Wer entscheidet über die nächste Beförderung, Gehaltserhöhung oder interessante Projekte? Der Kunde oder der Chef? Wer ist sichtbarer, wer reagiert schneller, wer reagiert intensiver? Wer gibt schneller Feedback? Eine Fehlorientierung geht ganz schnell: Der Chef ist für Zahlen verantwortlich. Irgendwann stimmen die Zahlen nicht (wird immer irgendwann passieren). Der Chef gibt den Druck weiter. Der Mitarbeiter beginnt beim Chef nachzufragen. Chef gibt fachliche Tipps, coacht den Mitarbeiter, der lehnt sich zurück und entscheidet auch in Zukunft immer weniger selbst. Der Chef fühlt sich in seinem Selbstwertgefühl bestärkt, der Mitarbeiter fühlt sich sicher.
Der Mail-Test: Gelingt Ihnen kundenorientiertes Arbeiten?
Unterwerfen Sie Ihren Mailaccount einer kleinen Statistik. Wie viele Mails gehen nach innen, und wie viele davon nach oben, zur Seite und wie viele zu anderen Mitarbeitern? Und wie viele Mails gehen zu Ihren Kunden? Ich hatte Klienten, deren Kundenanteil unter einem Prozent lag! Und Chefs, deren Kundenmailanteil über 20 % lag sind schon sehr selten.
Warum ist Agilität vor allem im IT Bereich so stark vertreten?
Dass agile Organisation im IT Bereich am stärksten gefördert und weiter entwickelt wurde, ist für mich kein Zufall. Die Distanz zwischen einem „Nerd“, der geniale Quellcodes schreibt, und dem User ist schon fast sprichwörtlich. Überall dort, wo die Abstände zwischen denen, die etwas können, und denen, die etwas brauchen, sehr groß sind, sind riesige Potenziale durch eine „Agilisierung“ zu erreichen.
Sind diese erfolgreichen Algorithmen übertragbar?
„Ein Algorithmus ist eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems oder einer Klasse von Problemen. Algorithmen bestehen aus endlich vielen, wohldefinierten Einzelschritten.“ Wikipedia
Wenn Erfolg Interaktion ist, lohnt es sich, die Interaktion zum Kunden unter die Lupe zu nehmen und zu optimieren.
1. Von wem geht die Aktivität aus? Bedeutung der Fragen, wenn der Kunde Kontakt aufnimmt.
Bei Amazon und Co geht die Aktivität vom Kunden aus. Er surft freiwillig durch die Seiten und hinterlässt so ganz freiwillig seine Spur von dem, was ihn interessiert und was er sucht. Kunden zu bedrängen geht schnell nach hinten los. Wir alle werden den ganzen Tag bedrängt mit Anrufen und Mails. Darum sind diese freiwilligen Momente Gold wert. Ein guter Fragenkatalog hilft, diesen Moment zu nutzen.
2. Wie lässt sich die Frequenz erhöhen?
Man kann nicht genug Gespräche mit potenziellen Kunden führen. Wie lässt sich die Taktzahl erhöhen? Wie viele Schleifen zum Lernen braucht man, um wirklich gut in der Überzeugung zu werden?
3. Feedbackschleifen für kundenorientiertes Arbeiten
Am zufriedensten bin ich als Kunde, wenn ich selbst ganz genau bestimmen kann, was ich möchte. Das geht dann, wenn ich ständig gefragt werde, was ich möchte. Das ist viel mehr wert als die Aufforderung, ein Feedback zu geben. Die Frage „Was genau wollen Sie“ ist besser als „Wie war ich?“ Ist man von diesen Schleifen abgeschnitten, dann kann man natürlich auch nichts verbessern. Die Frage ist also: Wie kommt man möglichst nah an den konkreten Prozess, in dem der Kunde Ihre Leistung nutzt.
4. Standbein
Erste Konsequenz wäre zum Beispiel, den Newsletter, der alle Kunden mit demselben Inhalt versorgt, zu überdenken. Was hat der Kunde bisher gekauft? Was hat ihn interessiert? Meistens sind die Informationen in den CRM-Systemen verfügbar. Werden sie auch eingesetzt? Wenn wir schon etwas geliefert haben, haben wir gegenüber allen anderen Wettbewerbern einen unschätzbaren Vorteil. Wir wissen, was ihm schon mal gefehlt hat und was er eingesetzt hat. Nicht der allgemeine Newsletter wäre das Richtige, sondern eher Informationen nach dem Motto „Es gibt Weiterentwicklungen für Ihr x-Produkt/y-Leistung. Möchten Sie dazu Informationen?“
5. Spielbein
Mit einem guten Standbein lässt sich das ganz Neue sicherlich auch besser einführen. Lässt sich eine Verbindung zwischen dem neuen und dem alten Produkt herstellen? Hier hat der Mensch gegenüber dem Rechner einen Vorteil. Denn er kann besser einschätzen, welches Verhältnis von Bewährtem zu Innovation für einen Kunden das Richtige ist.
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