Angst, Sorgen, Tunnelblick, Panik, Wut, Hilflosigkeit, Depressionen und Resignation. Während der Corona Krise schon etwas von dieser Aufzählung gehabt? Oder bereits mehrere oder sogar alle?
Nicht alle von diesen Gefühlen sind nützlich oder förderlich. Gibt es wirklich gute Tipps, die einem helfen, diese Krise besser zu bewältigen? Die über das Niveau von Aussagen wie „Ruhig bleiben, durchatmen, auf bessere Zeiten hoffen“ hinausgehen? Gibt es vielleicht sogar in uns eingebaute Bewältigungsstrategien, die wir nutzen und einsetzen könnten?
Langsames vs. schnelles Denken
Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman unterscheidet nicht Bewusstsein und Unterbewusstsein, sondern schnelles Denken und langsames Denken. Das schnelle Denken ist alt und einfach. Es unterscheidet häufig nur in gut oder schlecht, in null oder eins. Es ist perfekt für das Überleben in der Savanne, in der Horde. Das langsame Denken ist neu, dafür detailreich, aber anstrengend und energieraubend. Wir werden weder mit dem schnellen noch mit dem langsamen Denken erfolgreich, sondern nur mit dem geschickten Zusammenspiel dieser beiden Systeme.
Bleiben wir im schnellen Denken, reagieren wir auf Bedrohungen mit Kämpfen, Fliehen oder Totstellen. Also Reaktion mit Wut, Aktionismus, im Wegducken, Tunnelblick oder Schockstarre. Das sind Reaktionen, die für kurzfristige Bedrohungen durch einen Säbelzahntiger geeignet sein können, aber sicher nicht für die Bewältigung einer Krise in der Neuzeit.
Perspektivenwechsel im Corona-Gefühlschaos
Wie können wir das schnelle Denken dazu bringen, mit dem langsamen Denken zusammenzuarbeiten?
Das stärkste Merkmal des schnellen Denkens ist die einfache Entscheidung in gut und schlecht oder in Null und Eins. Hier gibt es nur: alles nicht so schlimm. Was wollen die Leute eigentlich? Es ist doch alles gut. Oder Alarmismus, Paralyse, Bedrohungsszenarien.
Daher ist es eine der schnellsten und wirksamsten Methoden, das langsame Denken zu aktivieren, indem man von einer 0-1-Skala in eine 10er-Skala wechselt.
Wie gut/schlecht geht es dir jetzt gerade auf einer Zehnerskala? Mit der Zehnerskala kommt die Differenzierung, kommen die Grautöne, und damit ein höherer Realitätsbezug. Welche Punkte habe ich nach wie vor? Und welche fehlen? Wo muss ich was tun? Wo reagieren, vorsorgen? Wo sollte man mir und anderen Menschen helfen? Und was kannst du tun um einen Punkt höher/positiver zu kommen?
Wie sieht deine GAU-Fantasie aus (GAU: größter anzunehmender Unfall)? Wie viel Punkte genau kostet dir das auf deiner Zehnerskala?
Corona ist nicht Deine erste Krise
Ein wahrer Schatz für die Bewältigung der aktuellen Krise sind schon bewältigte Krisen.
Sie schaffen uns Selbstvertrauen und Selbstsicherheit. Sammle also die Tiefpunkte in deinem Leben. Das sind die Krisen, die Du schon durchlebt hast in Beziehungen mit anderen Menschen, in den einzelnen Phasen deiner Ausbildung, in Projekten, im Büro oder vielleicht gesundheitliche Krisen.
Und mach dir klar, dass du sie alle bewältigt und überstanden hast. Vielleicht haben sie dich sogar stärker, reifer, besser gemacht. Wie wird Corona Dich reifer, besser und stärker machen, zu welchen neuen Fähigkeiten wird die Krise dich bringen?
Vertrauensverlust in die ordnenden Kräfte dieser Welt
Eine der wichtigsten Aufgaben, die das langsame Denken hat, ist, uns ein Abbild von der Welt zu machen, dass uns hilft, uns in dieser zu orientieren. Es ist eben wichtig, ein Weltbild zu haben, dass zu der Welt passt. Und wir sind zutiefst beunruhigt, wenn unsere innere Landkarte nicht mehr in der Lage ist, die Welt zu erklären.
Dann ist es extrem bedrohlich, wenn wir feststellen, dass wir die ordnenden Kräfte nicht mehr ordnen können. Wenn wir das Vertrauen verlieren, dass die Politiker das Richtige tun, dass die Wissenschaft die Welt erklären kann, oder wenn sogar die Ordnenden selbst das Vertrauen in die ordnenden Kräfte verlieren, wie wenn der Glaube an ein überirdisches Wesen verloren geht.
Vielleicht ist es eine sehr wichtige Fähigkeit, zu ertragen oder zu akzeptieren, dass wir trotz aller Wissenschaft und aller Fortschritte nur einen Bruchteil davon erklären können, was in der Welt passiert.
Noch vor 2000 Jahren haben auch die Germanen Blitz und Donner mit der Vorstellung erklärt, dass der Gott Thor mit seinem Wagen über die Wolken fährt. Wir wissen heute viel, viel mehr. Aber sind wir wirklich so viel weiter? Diese Krise lehrt uns vielleicht, wieder demütiger zu werden und zu akzeptieren, dass wir keine Kontrolle haben über das, was passiert. Ja das wir nicht einmal wissen, warum etwas passiert. Tun wir das nicht, stehen wir in der Gefahr, Weltbilder anzunehmen, die zwar schlüssig, aber falsch sind und zu falschen Wegen, Zielen und Reaktionen führen.
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