Der Beginn eines neuen Jahres ist prädestiniert für das In-Sich-gehen. Wir betrachten das Leben und die Welt aus größerer Perspektive. Das tue ich dieses Jahr einmal richtig gründlich. Wenn man das tut, wird eines schnell klar: Wir unterschätzen das Ausmaß der Veränderung.
Das Ausmaß der Veränderung
Wir sind uns einfach nicht bewusst, wie unglaublich und unvergleichlich groß das Ausmaß der Veränderung ist, die wir zurzeit erleben. Wir haben mit unserem Fokus von gemeinhin 70 bis 100 Lebensjahren überhaupt nur einen viel zu geringen Zeitwinkel, den wir bewusst wahrnehmen. Unser Fokus, unser Scope ist vermutlich viel zu gering, um das wirkliche Ausmaß der Veränderung zu begreifen. Wir sind auf wissenschaftliche Hilfs-Skalen angewiesen.
- Die „Humanmasse“, die Masse aller Dinge, die der Mensch hergestellt hat, hat die Biomasse, die Masse aller Tiere und Pflanzen überholt. Laut dem Weizmann-Institut betrug die Humanmasse vor 100 Jahren noch 3 % der Biomasse.
- Um z.B. die Abnahme der Biomasse der Insekten festzustellen, braucht man nicht einmal die Wissenschaft. Wie sah die Windschutzscheibe nach einer Fahrt im Sommer noch vor 20 bis 30 Jahren aus? Und wie sieht sie jetzt aus?
- Wir leben im Zeitalter des Menschen: Wir leben im Anthropozän. Vor 251 Mio Jahren sind über 95 % der Lebewesen ausgestorben. Vor 65 Mio Jahren sind 90 % (u.a. Die Dinosaurier) ausgestorben. Wir sind drauf und dran mehr Arten in kürzerer Zeit auszurotten als der Meteoreinschlag in Jucatan vor 65 Mio Jahren, der sibirische Trapp vor 251 Mio Jahren (Dauervulkanausbruch, die fünffache Fläche Deutschlands lag unter Lava), oder die Vollvereisung des ganzen Planeten vor 580 Mio Jahren. Dabei gibt es den Homo sapiens erst seit 0,2 Mio Jahren.
Die Menschheit hat sich nicht entwickelt, sie ist explodiert
Ich saß an meinem Schreibtisch als mir das Ausmaß der Veränderung mit einem Schlag besonders bewusst wurde. Für ein Buch über Change-Management wollte ich auf Millimeterpapier die Entwicklung der Menschheit maßstabsgetreu grafisch darstellen. Der Startpunkt des Homo sapiens wir häufig auf vor ca. 200 Tsd. Jahre gelegt. Ich habe eine Kurve erwartet. die am Ende sehr steil ansteigt. (Was meinst Du, wie diese Kurve aussieht?)
Als Naturwissenschaftler habe ich mich schon etwas geschämt, wie sehr ich mich da vertan habe. Beziehungsweise, dass ich mir nie die Mühe gemacht habe, die realen Zahlen im richtigen Verhältnis darzustellen. Die Grafik gibt keine Kurve, sondern einen rechten Winkel. Um überhaupt eine Kurve erkennen zu können, müsste der Stift so fein sein, dass man eine Lupe bräuchte, um die Linien noch erkennen zu können:
Maßstabsgetreue Abbildung der Zahl der Menschen über die Jahre ihrer Existenz:
Das heißt, wir können in diesem Maßstab von einer Entwicklung gar nicht mehr sprechen. Die Menschheit ist explodiert.
Was das für uns, die wir mitten in der Veränderung leben, bedeutet, liest Du im nächsten Artikel „Der Systemsprung und seine Auswirkung – Menschheit im Wandel | Teil 2„.
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