Ständig vom Chef kontrolliert zu werden, kann nicht nur jeden Spaß an der Arbeit verderben, sondern langfristig auch gegen das Selbstwertgefühl gehen, wenn jemand mit dem Rotstift selbst Rechtschreibung und Kommata kontrolliert. Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob ich den richtigen Job habe oder im richtigen Unternehmen bin, das solchen Personen Führungsverantwortung überträgt.
Cheffing von „blauen“ Chefs
Aber vielleicht gibt es ja doch die eine oder andere Idee, wie ich als Mitkraft Einfluss auf meinen Chef nehmen kann.
Zunächst einmal ist es eine Stärke, wenn jemand genau, präzise, zuverlässig, qualitätsbewusst ist und durch sein exaktes Arbeiten Fehler vermeidet. Wenn diese Stärke zu stark wird und sich sogar in übertriebener Besorgnis oder Paranoia äußert, überwiegen sicherlich die negativen Kollateraleffekte. (Was ist ein „Blauer Chef“? – Die 4 Cheftypen)
Frühe Prägung als Ursache, wenn der Chef alles kontrolliert?
Man kann auf niemanden Einfluss nehmen, den man nicht versteht. Und Empathie ist zunächst einmal die Frage nach der positiven Absicht. So kann der Auslöser für eine übervorsichtige Kontrollhaltung durch prägende Ereignisse entstehen. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass so mancher Chef einen Chef hat, von dem er etwas zu hören bekommt wie „Haben Sie Ihre Leute nicht im Griff?“, „Machen Sie mal Ihren Job! Ihre Mitarbeiter machen ja einen Fehler nach dem anderen.“
Solche Prägungen sind das Lernen aus extremen Einmal-Ereignissen, die sich dann zu festen Haltungen verfestigen. Dieses Verhalten kann aber auch Ergebnis von Narzissmus sein: „Keiner kann das besser als ich.“ Und jeder gefundene Fehler bestätigt diese Grundannahme. Am schlimmsten ist es natürlich, wenn wir es mit beiden Phänomenen zu tun haben und einen paranoiden Narzissten zum Chef haben.
1. Komm Deinem Kontolletti-Chef zuvor
Warte nicht ab, bis Dein Chef kontrolliert, sondern fordere Kontrolle bei Deinem Chef ein. „Würden Sie hier bitte einmal drüber schauen, ob Sie etwas finden, dass ich noch verbessern kann?“
Es kann einen Unterschied machen, ob ich Kontrolle und Korrektur als das Ausleben meines persönlichen Bedürfnisses empfinde oder als Aufgabe, die meine Mitarbeiter einfordern. Und es macht natürlich auch für mich einen entscheidenden Unterschied, ob ich das selber einfordere oder ob ein korrigiertes Konzept zu jedem beliebigen Zeitpunkt meinen Tisch erreicht.
2. Das Bedürfnis nach Kontrolle reflektieren und relativieren
Um zu verhindern, dass Kontrolle zu einem Selbstzweck wird, kannst Du Deinen Chef vielleicht so etwas fragen wie „Ihnen ist Genauigkeit, Präzision und Fehlerfreiheit enorm wichtig. Für welche Art von Aufgaben, Arbeiten, Artefakte gilt das in besonderem Maße?“ Es ist möglich, dass Du die Killerphrase erntest „Immer und überall! Für alle Aufgaben!“, aber Du hast es probiert.
3. Schnell oder genau?
Bei der Annahme oder Übernahme neuer Aufgaben kann man durch die Frage „Schnell oder genau?“ sehr schnell deutlich machen, dass Genauigkeit immer auf Kosten anderer Werte geht und dass man nicht beides gleichzeitig haben kann. Qualität und Schnelligkeit oder Kreativität – jede Kontrolle hat ihren Preis. Manchmal ist sie gerechtfertigt, in vielen Fällen allerdings nicht.
4. Reframing: Deine Arbeit ist dem Chef wichtig
Dieser Punkt ist keine Aktion, Handlung oder Frage, sondern das Angebot, die Kontrolle etwas anders zu deuten. Es kann zwar sein, dass diese Art von Chefs kein Vertrauen in andere Personen haben, aber die Botschaft ist auch, dass diesen Chefs Deine Arbeit wichtig ist.
Sollte es sich bei der Kontrolle allerdings um gezieltes Mobbing handeln, dann darfst Du das in keinem Fall akzeptieren! Bossing – Was tun, wenn der Chef mobbt?
5. Zwischenschritte vereinbaren
Diese Form von Cheffing folgt der Idee, möglichst viel von vorne zu klären, anstatt von hinten korrigieren zu lassen: „Ich verstehe das Konzept so, dass es darauf ankommt, XY zu erfüllen, es folgende Kernpunkte enthalten soll und die wichtigsten Kriterien A, B und C sind.“ Im Grunde ist es die Frage, woran ich erkennen kann, ob ich meinen Job gut gemacht habe.
Damit zwingst Du Deinen Chef dazu, von Beginn an Farbe zu bekennen und kenntlich zu machen, was er eigentlich will. Und Du kannst von vornherein Regeln der Kontrolle und des Feedbacks bestimmen: „Ist es nicht besser, wenn ich erst einen Grobentwurf anfertige, bevor ich mich an die Kernarbeit mache?“
Wir sind keine Therapeuten und keine Coaches. Und in der Regel haben wir auch keinen Auftrag dazu. Diese fünf Punkte sollen uns aber ein bisschen Kontrolle zurückgeben.
Probier es aus und erzähl uns unbedingt in den Kommentaren davon, wie es gelaufen ist!
© Grannemanns Workbook