Bias. Wir versuchen, uns ein Bild, eine Karte von der Welt da draußen zu machen. Auf dem Weg von der Wirklichkeit in unser Hirn machen wir einige systematische Fehler, die für viele Probleme, Konflikte, Hass und sogar Kriege verantwortlich sind. Falsche Landkarten lassen uns verfahren, führen uns in Sackgassen, Wüsten und verhindern, dass wir unsere Ziele erreichen.
Verfügbarkeits-Bias
Welche Informationen sind mir verfügbar? Beim Nachbarn wird eingebrochen. Im Lokalteil wird von Überfällen berichtet. Das Unsicherheitsgefühl steigt trotz sinkender Kriminalität. Jeder Flugzeugabsturz findet den Weg in die Medien, aber nicht jeder Autounfall. Das Flugzeug ist pro zurückgelegtem Kilometer 10.000 mal sicherer als das Auto. Musiker sind berühmt und reich. Auf einen bekannten Musiker kommen 100.000 unbekannte. Die Algorithmen in den sozialen Medien verstärken diesen Effekt enorm. So sind alle anderen Informationen Fake-News.
(Wen oder was siehst Du gerade nicht? Was oder wer ist unsichtbar? Es ist nur die Spitze eines Eisberges, der unten übrigens ganz anders aussieht.)
Ingroup/Outgroup-Bias
Wer gehört zu meiner Gruppe? Wir vertrauen Menschen mehr, die wir zu unserer Gruppe zählen. Menschen sind besser, wenn sie zum eigenen „Rudel“ gehören. Sie sind schlechter, wenn nicht. Zunächst kommt also die Definition von Gruppe, das Merkmal, die „Brille“ (Beruf, Wohnort, Hobby, Religion, Aussehen), Abwertung, Ablehnung und Hass kommen dann von ganz allein.
(Gegenmittel: Suche nach den Ähnlichkeiten. Welche Eigenschaft hast Du mit den anderen gemeinsam? Oder: Anti-Rassismus-Training ist die Übung, in einem Menschen eben nicht einfach nur die Hautfarbe oder das religiöse Symbol zu sehen, sondern hinter dieser Fassade das zu finden, was Du mit diesem Menschen gemeinsam hast. Welche Fähigkeiten, welche Meinungen, welche Gefühle, Sorgen, Ängste, Vorlieben, Geschmäcker usw. teilt ihr?)
Amnesie-Bias
Wir vergessen negative Ereignisse schneller als positive. Auch als Hindsight Bias (Rückschaufehler) bekannt. Wir werden in unserer Selbsteinschätzung immer großartiger und grandioser. Wir überschätzen schnell unsere Fähigkeiten und unsere Macht.
(Geschichte ist nicht einfach nur vergangen. Mache Dir Deine persönliche Timeline mit allen Meilensteinen, negativen wie positiven, bewusst. Was sind die Lehren aus diesen Ereignissen?)
Konsistenz-Bias
Wir bevorzugen die einfache, eindeutige Gestalt. Das macht die Bewertung einfach. Der Mensch, der in einigen, wichtigen Eigenschaften gut ist, ist auch in allem anderen gut. Der Halo-Effekt (Überstrahlungseffekt) und auch das Schwarz-Weiß-Denken gehören hierher. Die Grautöne, die bei jedem Menschen, bei jeder Sache dazu gehören, werden einfach ignoriert und weggedacht.
(Gegenmittel: Denke immer auch mal das Gegenteil. Was ist das Gute im Schlechten? Was ist das Schlechte im Guten? Mache nicht 0 oder 1, sondern 100 Shades oft Grey. Jeder Jeck ist anders. Was genau ist besonders an dem anderen?)
Bestätigungs-Bias
Anstatt sich genau anzuhören, was jemand von einer ungeliebten Partei zu sagen hat, bestätigen wir gerne das Bild, die Schublade. Damit bestätigen sich die Vorurteile. Wenn der Mensch eine intuitive Abkürzung nehmen kann, tut er das. Das spart Zeit und Energie.
(Suche diejenigen, die Deiner Meinung total widersprechen und formuliere deren Meinung so, dass die andere Person sagt: Genau das meine ich!)
Relations-Bias
Wir können nicht absolut denken, sondern immer nur relativ zu einer anderen Erfahrung. Der Ankereffekt bei Preisen zum Beispiel. Ein Artikel wird als teuer oder billig wahrgenommen, abhängig von den Preisen der benachbarten Artikel.
Eigentlich müssten fast alle in Deutschland vor Glück platzen. Frieden Freiheit, Sicherheit und Wohlstand sind enorm. Unsere Grunderwartung wird aber immer wieder auf „0“ zurückgestellt.
Suche andere Bezugspunkte, die eben nicht nahe liegen. Wie geht es anderen Menschen am anderen Ende der Welt? Wie ging es Dir von 15 Jahren? An einem anderen Wohnort?)
Exogen/endogen-Bias
Wir neigen dazu, unsere eigenen, inneren Gefühle als von außen erzeugt (exogen) wahrzunehmen. Wir suchen für jedes Gefühl eine von außen kommende Ursache. Auch wenn es die gar nicht gibt. Wir sitzen im Auto und regen uns über die Unfähigkeit der anderen Autofahrer auf. Aber eigentlich haben wir nur Hunger und das erzeugt unsere schlechte Laune. Schuld sind immer die anderen. Konfabulation: die Kognition erfindet Geschichten, die als Ursache herhalten müssen (u.a. Verschwörungsmythen).
(Gegenmittel: Geh doch erst einmal davon aus, dass das Gefühl von einem selbst kommt. Nahrung, Schlaf, Gerüche und hunderte anderer Faktoren bestimmen unseren Zustand. Vermutlich ist die kognitive Erklärung nur ganz selten richtig.)
Verlust/Risiko-Bias
Wir bewerten mögliche negative Folgen stärker als positive. Eine verständliche Verzerrung aus unserer Steinzeitvergangenheit. Eine übersehene Antilope ist schade. Ein übersehener Tiger tödlich. Überzogene Ängste vor Fehlern. Das ist übrigens auch häufig der Grund für Prokrastination (Anleitung gegen Prokrastination).
(Gegenmittel: „Mein Leben ist voller Katastrophen, Gott sei dank ist nichts davon eingetroffen“. Mach Dir die Kosten der Angst bewusst. Wie wahrscheinlich ist die Fantasie wirklich?)